Das Lächeln des Cicero
Ich wüßte nicht wie
- sie haben sich praktisch nie gesehen. Gaius hat die meiste Zeit
hier mit seinem Vater in der Stadt gelebt, während Sextus das
Gut in Ameria geleitet hat.«
»Ich verstehe.
Du wolltest erzählen, wie Gaius ums Leben gekommen
ist.«
»Ich weiß
wirklich nicht, was all das mit dem anstehenden Fall zu tun
hat.«
Cicero rutschte
unbehaglich auf seinem Stuhl hin und her.
»Es ist im
Grunde nichts weiter als Klatsch.«
Ich sah ihn kurz und
nicht ohne Sympathie an. Bisher hatte er mich mit
ungewöhnlicher Höflichkeit behandelt, zum Teil, weil er
naiv war, zum Teil aber auch, weil es in seinem Wesen lag. Doch
daß ich so freimütig mit einer Frau sprach, die so weit
über mir stand (einer Metella!), war selbst für sein
liberales Gefühl zuviel. Er erkannte den Dialog als das, was
er war, ein Verhör nämlich, und nahm daran
Anstoß.
»Nein, nein,
Cicero, laß ihn fragen.« Caecilia wies ihn mit ihrem
Fächer zurück und gönnte mir ein Lächeln. Sie
war glücklich, ja richtiggehend begierig, über ihren
verstorbenen Freund zu reden. Ich mußte mich
unwillkürlich fragen, welcher Art ihre Beziehung zu dem Feste
feiernden, das Vergnügen liebenden, alten Sextus dereinst
gewesen war.
»Nein. Gaius
Roscius ist nicht in Rom gestorben.« Caecilia seufzte.
»Sie hätten an jenem Tag eigentlich herkommen sollen, um
den frühen Abend auf meinem Empfang zu verbringen; dann
wollten wir alle gemeinsam zu Sullas Villa gehen, um an dem
Triumphbankett teilzunehmen. Tausende von Gästen waren
eingeladen. Sullas Großzügigkeit kannte keine Grenzen.
Sextus Roscius war ganz besonders daran gelegen, einen guten
Eindruck zu machen; wenige Tage zuvor war er noch mit dem jungen
Gaius vorbeigekommen, um meinen Rat hinsichtlich der angemessenen
Kleidung einzuholen. Wenn alles nur wie geplant vonstatten gegangen
wäre, würde der junge Gaius heute noch leben...«
Ihre Stimme erstarb. Sie hob ihren Blick und ließ ihn zu dem
sonnenbeschienenen Pfau schweifen.
»Die Parzen
haben eingegriffen«, schlug ich vor.
»Wie es ihre
schlechte Angewohnheit ist. Zwei Tage vor dem Triumph erhielt
Sextus pater eine Nachricht von Sextus filius in Ameria, der ihn
drängte, nach Hause zu kommen. Irgendein Notfall - ein Brand,
eine Flut, ich weiß nicht mehr. Jedenfalls so dringend,
daß Sextus zusammen mit Gaius zum Familienanwesen
zurückeilte. Er hoffte, zu den Feierlichkeiten zurück zu
sein. Statt dessen blieb er bis zur Beerdigung in
Ameria.«
»Wie ist es
passiert?«
»Eine
Lebensmittelvergiftung. Ein Glas verdorbener eingelegter Pilze.
Sextus hat mir das Unglück später in allen Einzelheiten
beschrieben. Wie sein Sohn zusammenbrach und pure Galle zu
erbrechen begann. Wie Sextus ihm in den Rachen griff, weil er
glaubte, sein Sohn würde ersticken. Daß der Schlund des
Jungen glühend heiß gewesen sei und seine Finger, als er
sie wieder herauszog, blutig. Gaius spuckte weitere Galle, diesmal
dickflüssig und schwarz, und war wenige Minuten später
tot. Sinnlos, tragisch. Der gute Sextus war danach nie mehr ganz
der alte.«
»Du hast gesagt,
Gaius sei neunzehn oder zwanzig gewesen, und ich dachte, sein Vater
war Witwer. Wann ist die Mutter des Jungen
gestorben?«
»Oh - aber
sicher, woher sollst du das wissen? Sie starb bei der Geburt von
Gaius. Ich glaube, das war einer der Gründe, warum Sextus den
Jungen so sehr liebte. Er ähnelte seiner Mutter sehr. Sextus
hat Gaius als ihr letztes Geschenk an ihn
betrachtet.«
»Und die beiden
Söhne - sie müssen im Abstand von fast zwanzig Jahren
geboren sein. Von derselben Mutter?«
»Nein. Sagte ich
das nicht? Gaius und der junge Sextus waren Halbbrüder. Die
erste Frau starb vor Jahren an einer Krankheit.« Caecilia
zuckte die Schultern. »Das ist vielleicht auch ein Grund,
warum sie sich nie besonders nahestanden.«
»Ich verstehe.
Und hat Gaius’ Tod Sextus Roscius und seinen älteren
Sohn einander wieder nähergebracht?«
Caecilia wandte
traurig den Blick ab. »Nein, ganz im Gegenteil, fürchte
ich. Manchmal hat eine Tragödie diese Wirkung auf eine
Familie, daß sie die alten Wunden wieder aufreißt.
Manchmal liebt ein Vater einen Sohn mehr als den anderen - wer kann
daran etwas ändern? Als Gaius starb, machte Sextus den Bruder
des Jungen für den Tod verantwortlich. Natürlich war es
ein Unfall, aber einem alten, von Schmerz geschüttelten Mann
fehlt bisweilen die Stärke, den Göttern die Schuld zu
geben. Er kehrte nach Rom zurück und vergeudete seine Zeit -
und
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