Das Lächeln des Cicero
hatte schon Angst, als er herkam, aber jetzt hat
er noch mehr Angst. Angst, verurteilt zu werden, und Angst vor
einem Freispruch. Er behauptet, daß derjenige, der seinen
Vater ermordet hat, entschlossen ist, auch ihn umzubringen, und
daß der Prozeß selbst eine Intrige sei, ihn zu
erledigen. Wenn die Justiz versagt, werden sie ihn auf offener
Straße ermorden.«
»Er wacht mitten
in der Nacht schreiend auf«, sagte Caecilia, nach der Fliege
schlagend. »Ich kann ihn durchs ganze Haus rüber bis in
den Westflügel hören. Alpträume. Ich glaube, der
Affe ist das schlimmste. Bis auf die Schlange...«
Rufus schüttelte
sich. »Caecilia sagt, daß er sogar erleichtert war, als
man die Wachen vor der Tür postiert hat - als ob sie hier
wären, um ihn zu beschützen, anstatt seine Flucht zu
verhindern. Von wegen Flucht! Er verläßt nicht einmal
sein Zimmer.«
»Das
stimmt«, sagte Cicero. »Sonst hättest du ihn in
meinem Arbeitszimmer kennengelernt, Gordianus, ohne daß wir
unsere Gastgeberin hätten belästigen
müssen.«
Caecilia lächelte
spröde, um das Kompliment zu würdigen. Im nächsten
Moment schoß ihr Blick zum Tisch, und ihr Fächer
klatschte auf die Platte. Diese Fliege würde sie jedenfalls
nicht mehr belästigen.
»Ich hätte
sie im Laufe meiner Ermittlungen ohnehin früher oder
später aufsuchen müssen.«
»Aber
warum?« wandte Cicero ein. »Caecilia weiß nichts
über den Mord. Sie ist lediglich eine Freundin der Familie,
keine Zeugin.«
»Nichtsdestoweniger war
Caecilia Metella eine der letzten, die den älteren Roscius
lebend gesehen hat.«
»Ja, das
stimmt.« Sie nickte. »Er hat sein letztes Mahl in genau
diesem Raum eingenommen. Oh, wie er diesen Raum geliebt hat. Er hat
mir einmal erzählt, daß er mit der freien Natur nichts
anzufangen wüßte. Felder und Weiden und das Landleben in
Ameria haben ihn unendlich gelangweilt. >Das hier reicht mir als
Garten vollkommen< hat er einmal erklärt.« Sie wies
auf die bemalten Wände. »Siehst du den Pfau, der dort
drüben auf der Südwand ein Rad schlägt? Da, die
Sonne fällt eben darauf. Wie er dieses Bild geliebt hat, die
Farben - ich weiß noch, er nannte ihn immer seinen Gaius und
wollte, daß ich dasselbe tat. Gaius liebte diesen Raum auch
sehr.«
»Gaius?«
»Ja. Sein
Sohn.«
»Ich dachte, der
Tote hätte nur einen Sohn.«
»O nein. Nun,
ja, ein Sohn verblieb ihm, nachdem Gaius gestorben
war.«
»Und wann war
das?«
»Laß mich
nachdenken. Vor drei Jahren? Ja, ich kann mich noch gut daran
erinnern, weil es der Abend von Sullas Triumph war. Überall
auf dem Palatin fanden Feste statt. Menschen zogen von einer
Versammlung zur nächsten. Jeder feierte - der Bürgerkrieg
war endlich vorbei. Ich habe selbst einen Empfang gegeben, in
diesem Raum, alle Türen zum Garten standen offen. Es war ein
lauer Abend - das Wetter war, wie es zur Zeit ist. Sulla
persönlich war eine Weile hier. Ich erinnere mich noch an den
Witz, den er machte. >Heute abend<, sagte er, >gibt es
für jeden, der in Rom Rang und Namen hat, nur eine
Alternative: feiern oder fliehen !< Natürlich gab es
einige, die gefeiert haben, obwohl sie besser geflohen wären.
Aber wer hätte sich damals auch vorstellen können,
daß die Dinge sich so weit entwickeln würden?« Sie
zog die Brauen hoch und seufzte.
»Dann ist Gaius
Roscius also hier gestorben?«
»O nein, darum
geht es ja. Deswegen fällt mir das Ganze wieder ein. Gaius und
sein Vater hätten hier sein sollen - oh, das hätte der
gute Sextus wirklich aufregend gefunden, Seite an Seite mit Sulla
in diesem Raum zu stehen, die Gelegenheit zu haben, ihm seinen Sohn
Gaius vorzustellen. Und wenn man den Geschmack des Diktators
kennt« - sie vermied es, jemand Bestimmten anzusehen -
»hätten sie sich vielleicht ganz prima
verstanden.«
»Sulla und der
Junge, meinst du.«
»Was denn
sonst.«
»Dann war es ein
wohlgestalteter Bursche?«
»O ja. Blond und
gutaussehend, intelligent und mit guten Manieren. Alles, was sich
der liebe Sextus von einem Sohn gewünscht
hatte.«
»Wie alt war
Gaius?«
»Laß mich
überlegen, er hatte schon eine Weile vorher seine
Männertoga angelegt. Neunzehn, nehme ich an, vielleicht
zwanzig.«
»Also deutlich
jünger als sein Bruder?«
»O ja, ich
vermute, der arme Sextus ist - was, mindestens vierzig? Er hat zwei
Töchter, mußt du wissen. Die ältere ist schon fast
sechzehn.«
»Standen sie
sich nahe, die beiden Brüder?«
»Gaius und der
junge Sextus? Das glaube ich nicht.
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