Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Lächeln des Cicero

Das Lächeln des Cicero

Titel: Das Lächeln des Cicero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Saylor
Vom Netzwerk:
war ganz
auf Elena eingestellt.«
    Mein Gastgeber
biß die Zähne aufeinander.
    »Aber wenn sie
nicht hier ist, bring mir deine erfahrenste Hure. Ihr Aussehen ist
mir egal. Diese Mädchen sind viel zu jung, um zu wissen, was
sie tun; ich hab kein Interesse an Kindern. Bring mir deine
älteste Hure. Zeig mir eine voll erblühte, eine
heißblütige Frau, der keine erdenkliche Spielart der
Liebe fremd ist. Außerdem muß sie passables Latein
sprechen. Der Austausch von Worten macht den halben Spaß
für mich aus. Gibt es im Haus der Schwäne eine solche
Frau?«
    Mein Gastgeber
klatschte in die Hände. Der Sklave namens Stabius drängte
die Mädchen aus dem Raum. Talia, die junge Blüte, die
unser Gastgeber für uns entschleiert hatte und die so
überzeugend errötet war und sich abgewandt hatte,
bedeckte im Gehen ihren Mund mit der Hand und unterdrückte ein
Gähnen.
    »Stabius!«
Der Sklave wandte sich noch einmal um.
    »Stabius, bring
uns Elektra!«
    Die Frau, die Elektra
hieß, ließ sich Zeit. Als unser Gastgeber sie
schließlich ankündigte, wußte ich, daß es
die Frau war, die ich gesucht hatte.
    Am auffälligsten
war ihr Haar, eine wallende Mähne schwarzer Locken, die von
weißen Strähnen an beiden Schläfen akzentuiert
wurde. Sie hatte ihre Schminke mit der Zurückhaltung
aufgelegt, die man nur durch jahrelange Praxis erwirbt; mein
Gastgeber hätte ruhig einige Stunden bei ihr nehmen
können. Selbst wenn ihre Züge zu ausgeprägt waren,
um fein genannt zu werden, auch wenn ihre Haut nicht mehr zart war,
so ließ sich doch im weichen Licht des Atriums mit voller
Überzeugung feststellen, daß sie eine Schönheit
war. Mit den Jahren hatte sie sich den Vorzug verdient, ein weniger
enthüllendes Gewand zu tragen als die jungen Mädchen, ein
langärmeliges, weites, weißes Kleid, das in der Taille
mit einer Schnur zusammengebunden war. Die Kurven ihrer Hüften
und Brüste waren auch ohne den Blick durch hauchzarten Stoff
verführerisch genug.
    In jedem Bordell traf
man zumindest eine Frau wie diese, und in den Städten, die
sich den Verfeinerungen der Lust verschrieben hatten, gab es ganze
Häuser von ihnen. Elektra war die große Mutter. Nicht
die Mutter eines erwachsenen Mannes, sondern die Mutter, an die er
sich aus seiner Kindheit erinnert; nicht alt, sondern weise, mit
einem Körper, der weder schlank und mädchenhaft noch
gealtert jenseits der Schönheit ist, sondern voll ausgereift
und von verschwenderischer Fülle.
    Ich warf einen Blick
zu Tiro, der von ihrer Erscheinung recht erstaunt war. Sie war
wahrscheinlich nicht der Typ Frau, den er im Dienste eines Herrn
wie Cicero sehr oft zu Gesicht bekommen würde.
    Ich trat mit meinem
Gastgeber beiseite und verhandelte. Er verlangte natürlich
zuviel. Erneut klagte ich über die abwesende Elena. Er verzog
das Gesicht und ging mit dem Preis herunter. Ich äußerte
weitere Bedenken, und er senkte ihn erneut. Schließlich
willigte ich ein und gab Tiro Anweisung, ihn zu bezahlen. Er
überreichte die Münzen mit einem schockierten
Gesichtsausdruck. Ob er den Preis für extravagant hielt (vor
allem, da er aus der Börse seines Herrn beglichen wurde) oder
ob ihm klar war, daß ich ein gutes Geschäft gemacht
hatte, wußte ich nicht zu sagen.
    Elektra ging voran, um
uns zu ihrer Kammer zu führen. Ich folgte ihr und machte Tiro
ein Zeichen, mit uns zu kommen.
    Tiro wirkte
überrascht. Genau wie mein Gastgeber.
    »Bürger,
Bürger, ich hatte keine Ahnung, daß du vorhattest, den
Jungen mitzunehmen. Dann muß ich natürlich auf einer
Zuzahlung bestehen.« 
    »Unsinn. Der
Sklave geht überall hin, wo ich auch
hingehe.«
    »Herr

    »Der Junge ist
ein Sklave, nicht mehr als ein persönlicher Besitz. Genausogut
könntest du mir berechnen, daß ich meine Sandalen
anbehalte. Ich war in dem Glauben, daß dies ein seriöser
Laden ist. Natürlich war ich auch in dem Glauben, ein
bestimmtes Mädchen hier zu finden -«
    Mein Gastgeber spielte
mit den Münzen in seiner Hand. Ihr Geklimper vermischte sich
mit dem Klirren seiner Ringe, er schnalzte mit den Lippen und
wandte sich ab.
    Elektras Zimmer war
mit dem Vorraum und den Fluren nicht zu vergleichen. Ich vermutete,
daß sie es selbst dekoriert hatte; es atmete die unfehlbare
Schlichtheit griechischen Geschmacks und die behagliche Aura eines
lange bewohnten Zimmers. Sie ließ sich auf einem breiten
Diwan nieder. Davor standen zwei Stühle. Ich machte Tiro ein
Zeichen, auf einem von ihnen Platz zu nehmen, und setzte mich
selbst

Weitere Kostenlose Bücher