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Das Lächeln des Leguans

Titel: Das Lächeln des Leguans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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keine Heuchelei: Er behauptet, dass es ihm wirklich gefällt.
    Trotz unserer behutsamen Pflege siecht Mama immer weiter dahin. Ich hatte eigentlich gedacht, man müsste sie, damit sich ihre
     Augen wieder öffnen, nur in einen günstigeren Nährboden verpflanzen, muss aber leider zugeben, dass unsere große Zärtlichkeit
     allein nicht ausreicht. Luc sagt, man müsse zum Leguan beten. Der Saurier sei der Auslöser für den Mumientraum, diese Erleuchtung,
     die ich hatte. Er freut sich, dass die Traummaschine trotz der Machenschaften des Kolibris funktioniert hat, und sieht darin,
     dass der Leguan freiwillig seine magischen Kräfte eingesetzt hat, eine ganz besondere Gunst. Er deutet es als Zeichen seines
     Gewogenseins, als Aufforderung, an ihn zu glauben. Ich schließe mich nur bedingt seiner Deutung an, doch scheint es wenig
     ratsam, einen möglichen Einfluss der Amphibie zu bestreiten, und da ich keine Gelegenheit ungenutzt lassen möchte, werde ich
     morgen erneut über den lockeren Sand der Bucht schreiten. Ich werde aus vollem Hals trällern, auch wenn ich mir dabei einen
     Sonnenbrand auf der Zunge hole.
     
    Ich grüße dich, strohgefüllter Leguan.
    Der Tänzer schwitzt mit dir.
    Gepriesen seist du unter allen Tieren.
    Auch Mona, die Verkäuferin deiner Innereien,
    sei gepriesen   …
     
    *
     
    Der Kilometer 54 hat mich im Schlaf überrascht, indem er unter lautem Getöse eine Tür zu seinen tobenden Unwettern aufriss
     und mich mit seinen eisigen Klingen aufschlitzte. Es gab keine heulenden Wände und auch kein Labyrinth mehr, aber dennoch
     war es der Kilometer, denn zu meinen Füßen verliefen Gleise. Unrealistische Laternen durchlöcherten das Schneetreiben. Mir
     wurde klar, dass es sich um die Scheinwerfer des Suchtrupps handelte. Denn ich befand mich genau an der Stelle des Unfalls:
     Davon zeugten die überall verstreuten Maschinenteile und Fragmente eines Schneemobils. Der Zug selbst war nicht zu sehen,
     aber ich vermutete, dass er in der Tiefe der Dunkelheit lauerte. Ich bot den dröhnenden Rotorblättern des Sturmes die Stirn
     und folgte den Gleisen wie ein verängstigter Streckengeher. Starr vor Kälte schwankte ich eine Weile durch den Blizzard, bis
     ich im Schnee etwas Rosafarbenes entdeckte. Rosa wie Mamas Schneemobilanzug. Sie lag in einer Schneewehe. Ich lief zu ihr
     und kniete neben ihr nieder. Sie war in sich zusammengesunken wie eine Puppe, die ein Riesenkind dorthin geschleudert hatte.
     Ich nahm ihr den Helm ab, und ihr Haar wand sich um meine Handgelenke. Sie schlief. Ich rief laut nach ihr, doch sie schlief
     weiter, und während ich mich bemühte, sie wieder zum Leben zu erwecken, spürte ich plötzlich die Gegenwart eines anderen.
     Ein Schatten trat vor die Scheinwerfer. Im Auge des Mahlstroms zeichnete sich eine Silhouette ab.
    Der ungeladene Gast hatte keinen Kopf, und ein Magmapulsierender Tinte floss aus seinem zerfetzten Hals. Es war mein enthaupteter Vater. Er ragte im Herzen des Kilometers auf,
     als sei er dessen Seele, und die Winde verneigten sich zu seinen Füßen. Er kam näher, wodurch sich verschiedene Zonen der
     Dunkelheit verlagerten, und wegen der schrecklichen Stürme und unbändigen Wirbelwinde in seinem Geleit wich ich zurück. Der
     Geist drängte mich fort von meiner Mutter und stellte sich zwischen uns und schützend vor sie. Plötzlich wusste ich Bescheid.
     Ich begriff, dass er derjenige war, der Mama gefangen hielt. Der sie bei sich, für sich behielt. Der sie davon abhielt, aufzuwachen,
     zu uns zurückzukehren. Er neigte sich über meine arme Mutter, hob sie so mühelos hoch, als sei sie ein Flamingo, und trug
     sie fort, indem er sich mit ihr in finsterem Schneegestöber auflöste. Demnach war Papa der Kerkermeister des Kilometer 54?
    Luc war bei mir, als ich in meinem eiskalten Bett aufschreckte, und ich gab ihm einen detaillierten Bericht meines inneren
     Abenteuers. Er wollte, dass ich sogleich wieder einschlafe und dorthin zurückkehre, um die Angelegenheit aufzuklären, doch
     die bloße Vorstellung ließ mich erstarren. Hatte der Geist mir nicht bedeutet, dass er mich als Eindringling betrachtete?
     Hatte er mir nicht den Zutritt zum Kilometer untersagt? Wer war ich denn, dass ich es wagte, die geisterhafte Autorität eines
     Vaters zu untergraben?
     
    *
     
    Ich würde gern wieder an meine einstige Schlaflosigkeit anknüpfen, doch Luc behauptet, Flucht sei keine Lösung, und ich weiß,
     er hat recht. Ich habe keine Wahl. Meine Mutter

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