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Das Lächeln meiner Mutter

Das Lächeln meiner Mutter

Titel: Das Lächeln meiner Mutter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Delphine de Vigan
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Violette, die sich ein wenig um ihren Platz in der Geschwisterschar sorgte, drückte sich an ihre Mutter.
    Dieses nicht erwartete, nicht erhoffte Kind sollte das letzte sein: ein Gottesgeschenk.
     
    Der Sommer kam, und Liane und Georges schickten ihre Brut unter der Aufsicht der Älteren in das Haus in Pierremont. Lisbeth war achtzehn, Barthélémy siebzehn und Lucile sechzehn. Liane mit ihrem dicken Bauch blieb in Versailles und wartete auf ihre Niederkunft. Im August würden sie alle zusammen nach Spanien fahren, nach Alicante, wo Georges auch in diesem Jahr eine große Wohnung gemietet hatte.
    An einem Spätnachmittag Anfang Juli verlor Liane Fruchtwasser, sie rief Georges in der Agentur an und fuhr mit einer Nachbarin in aller Eile zu der Pariser Klinik, in der sie angemeldet war. Dort gebar sie in weniger als zwei Stunden einen wunderhübschen, fast weißhaarigen kleinen Jungen. Georges traf kurz nach der Schlacht ein.
     
    In Pierremont erhielt man die Nachricht noch am selben Abend per Telefon: Tom war geboren! Lisbeth und Lucile kauften zur Feier des Tages Cidre und luden einige Freunde für den Abend ein. Georges zufolge war das Baby wunderhübsch und noch kräftiger als alle anderen! Die Älteren hoben die Gläser und stießen auf Toms Ankunft an. Jemand hatte eine Gitarre mitgebracht, es mangelte nicht an Zigaretten, und der Abend zog sich bis spät in die Nacht.
    Am frühen Morgen nutzten Milo, Justine und Violette (damals zwölf, zehn beziehungsweise acht Jahre alt) die nachfestliche Benommenheit der Älteren, um mit ihren eigenen Freunden einen kleinen Ausflug zu unternehmen, nachdem sie den Kühlschrank für ein Picknick geplündert hatten. Sie gingen Richtung Fluss und beschlossen, bis zur Staumauer zu laufen. Dort angekommen, stiegen sie hinauf auf den Gang, um sich einen Überblick zu verschaffen. Man fand nie heraus, ob Violette unter dem Geländer durch oder über das Geländer fiel. Sie stürzte aus einer Höhe von zwei Meter fünfzig mit dem Kopf voran auf die Betonplatte. Es vergingen einige Sekunden, bis die anderen merkten, dass sie nicht mehr da war. Violette lag in dem zwanzig Zentimeter hohen Wasser, mit dem Gesicht auf der Betonplatte. Als Neneuil, der Älteste von allen, sie sah, sprang er in wenigen Sätzen zu ihr und drehte sie sofort um.
     
    Lucile wurde von den Schreien geweckt. Sie, die sonst so schwer aus dem Bett kam, sprang auf. Ihre Kehle war zugeschnürt, als würde sie von einer Hand gewürgt. Sie zog eine Hose über und rannte hinter den Kindern her zur Staumauer. Als sie Violette auf dem Boden liegen sah, hätte sie sich fast vor Grauen übergeben. Sie ging näher, ihre Knie zitterten, auch ihre Hände, einen Augenblick lang glaubte sie, sie würde ohnmächtig. Am liebsten hätte sie ihre Schwester in die Arme genommen, doch sie dachte an das, was man ihr beigebracht hatte: Man durfte einen Verunglückten nicht bewegen. Lisbeth hatte den Rettungswagen gerufen, er würde bald da sein. Lucile nahm Violettes Hand und suchte nach Worten, um sie zu beruhigen, doch ihr kam kein Wort in den Sinn, nur Schreie, dumpfe Klagen, die aneinanderstießen, ohne dass ein Laut aus ihrem Mund drang. Im Krankenwagen blieb Lucile bei ihrer Schwester, mit vor Angst verkrampftem Magen und hypnotisiert von dem Blut, das aus Violettes Ohren floss und jetzt ihren Frotteeschlafanzug tränkte; erst war es nur ein Fleck, dann der ganze Schlafanzug. Violette delirierte.
    Sie mussten Georges in der Agentur anrufen. Lisbeth stellte sich den Fragen ihres Vaters und seiner ausdruckslosen, wie vernichteten Stimme. Violette werde jetzt von den Ärzten behandelt, sie sei bei Bewusstsein, sie habe Schmerzen, ja, große Schmerzen, sie hätten noch nichts gesagt, nein. Nichts.
     
    Während Georges noch auf der Straße von Paris nach Joigny war, kam der Arzt, bei dem Liane entbunden hatte, zu ihr ans Bett. Er machte einige behutsame Vorbemerkungen und sagte, sie müsse sehr tapfer sein. Das Kind, das sie gerade zur Welt gebracht habe, sei kein Kind wie alle anderen. Tom habe das Down-Syndrom, eine Krankheit, die man gerade besser kennenlerne und inzwischen als Trisomie 21 bezeichne. Da Liane nicht reagierte, fügte der Arzt hinzu und betonte dabei jede Silbe:
    »Ihr Sohn ist ein mongoloides Kind, Madame Poirier.«
     
    Der Arzt riet Liane, das Baby in ein Heim zu geben. Ein Kind wie dieses könne, vor allem in einer kinderreichen Familie, nur Katastrophen auslösen. Seine geistige Entwicklung werde sich in sehr

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