Das Lächeln meiner Mutter
meinen Hintern reichten, sie waren monatelang die Herzstücke meiner Garderobe (gefolgt wurden sie von einer pfirsichfarbenen Schlaghose aus glattem Samt, die ich von der Tochter einer Freundin Luciles erbte und auf die ich genauso stolz war).
Nichts war wirklich schlimm, weder die Filzläuse, die Lucile und Tibère sich (nach der offiziellen Version) im Kino von Brunoy einfingen und die sich für einige Zeit auf unseren Kinderköpfen einrichteten (bei Manon saßen sie sogar in den Augenbrauen), noch die Vormittage, an denen wir zu spät zur Schule kamen, oder der Tag, an dem ich, den Kopf noch voller Marie-Rose-Antiläusetinktur, die hundert Meter gegen den Wind nach Essig stank, in die Klasse kam (Lucile war nicht mehr dazu gekommen, mir die Haare auszuspülen), auch nicht das Ende der eingeschweißten Braten und Brathähnchen (Tibère hatte sich im Coop-Laden erwischen lassen), nicht einmal Juliens Hartnäckigkeit, der mich bat, seinen Penis bis zur Ejakulation zu streicheln, wozu ich unter der Bedingung, einen Waschhandschuh überziehen zu dürfen, bereit war.
Diese Zeit birgt einige dunkle Bereiche.
Im Sommer fuhren wir in das FKK -Camp in Montalivet, wo Lucile und Tibère einen Bungalow mitten zwischen den Kiefern mieteten. Dort trafen wir uns mit ihren Freunden, einer Gemeinschaft mit wechselnder Besetzung, sie waren schon vor uns da, kamen gleichzeitig mit uns an oder stießen später dazu, einige waren auf der Durchreise, andere blieben und bauten ihr Zelt im Wald auf. Wir waren nackt am Strand, nackt im Supermarkt, nackt im Schwimmbad, nackt auf den von Kiefernnadeln bedeckten Wegen, und meine Freundin Sandra, die mit uns in die Ferien fuhr, wurde gebeten, ihren Sonnenbrand begutachten zu lassen, bevor ihr erlaubt wurde, mit einer Bikinihose an den Strand zu gehen.
Die Fotos aus diesen Jahren, die zumeist von Tibère aufgenommen wurden, sind mir die liebsten. Sie erzählen von einer Epoche. Ich mag ihre Farben, ihre Poesie und die in ihnen enthaltene Utopie. Lucile besaß eine Reihe von Abzügen. Nach ihrem Tod ließ ich von Dias, die ich in einem Karton gefunden hatte, weitere Abzüge entwickeln. Da gibt es zum Beispiel ein Bild von meiner Mutter inmitten einer Menschenmenge, das bei einer Demonstration im Larzac entstand. Oder eines, auf dem Lucile, die eine bunt gewürfelte Schlaghose trägt, Manon im Arm hält. Unter diesen Fotos gibt es eine Serie, die mich besonders entzückt und rührt. Manon, deren weiß-grünes Kleidchen direkt aus einer Kostümschau der
Seventies
zu stammen scheint, spielt mit einem Wasserschlauch. Pummelig und tief gebräunt, schneidet sie die absonderlichsten Grimassen. Und dann ist da noch das Foto, auf dem wir alle (etwa ein Dutzend Personen) splitternackt vor dem Bungalow in Montalivet posieren, die Kleinen vorn, die Großen dahinter, alle mit erhobenem Kinn und einem Sommerfrische-Lächeln auf den Lippen.
Auf einigen Bildern sind auch Lisbeth, Justine oder Violette zu sehen, ich glaube, es ist eine Zeit, in der Lucile weniger allein ist, in der sie sich an ihre Geschwister annähert. Manchmal steht Lucile Tibère Modell, und es kommt mir so vor, als wäre sie nie so schön gewesen.
Einmal fotografiert Tibère Manon und Gaëtan (den Sohn einer Freundin von Lucile) im flach einfallenden Abendlicht, wie sie am Strand davongehen. Gebräunt und mit nacktem Po, halten sie sich an der Hand, und an ihrer Haut klebt der Sand. Von diesem Negativ wird Tibère ein Poster machen, das zu Tausenden in den französischen Supermärkten verkauft wird.
In meiner Privatsammlung gibt es außerdem ein Foto von Manon und mir in Yerres, wir sind mit dem Ranzen auf dem Rücken auf dem Weg zur Schule. Auf der Rue des Grands-Godeaux haben wir uns noch einmal umgedreht, um in die Kamera zu schauen, ich trage einen verrückten Mini-Kilt, und unser Haar ist noch fast weiß von den Sommerferien.
Diese Bilder und jedes ihrer Details (Kleider, Haarschnitte, Schmuck) gehören zu meiner persönlichen Mythologie. Wenn sich die Lebensepochen unter dem Namen des Ortes zusammenfassen lassen, an dem sie stattfanden, dann steht Yerres für mich für das
Vorher. Vor
der Sorge.
Vor
der Angst.
Bevor
Lucile aus dem Gleis kam.
Mit der Zeit – und da sieht man, was schließlich siegt – hat das Gedächtnis die Dinge sortiert.
Vor einigen Monaten kontaktierte mich ein Journalist, der mich schon lange unterstützt und dessen Sensibilität ich schätze, er bereite eine Radioserie über die
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