Das Land am Feuerfluss - Roman
sie richtig sauer.«
»Und was ist mit deinem Freund George? Sucht der auch nach seinem Vater?«
Danny schüttelte den Kopf. »George und ich haben uns deshalb gestritten. Er weiß, dass sein Dad nie mehr zurückkehrt, und das regt ihn auf. Er hat gesagt, ich wäre dumm, nicht zu glauben, was mir alle Erwachsenen erzählen.«
Er betrachtete den Jungen ruhig. »Warum glaubst du, ist er sich dessen so sicher, obwohl du doch offensichtlich insgeheim immer noch hoffst, dass dein Dad zurückkommen wird?«
»Keine Ahnung«, antwortete Danny mit leichtem Schulterzucken.
Das versetzte ihm einen Stich.
Dann fuhr Danny fort: »Aber er und seine Mum mussten nach Brisbane, wo sie einen besonderen Orden von der Armee gekriegt haben – und den hätten sie ihr nicht gegeben, wenn sie ihn nicht für tot halten würden, oder?«
»Wahrscheinlich nicht«, stimmte er dem Jungen zu. »Was ist mit deinem Dad? Hat er auch einen Orden bekommen?«
Danny nickte. »Drei sogar. Wir haben sie in einer besonderen Schachtel mit all seinen Briefen und Mums Lieblingsfotos. Sie nennt sie ›unsere Erinnerungsschachtel‹.«
»Deine Mum muss deinen Dad wirklich lieb gehabt haben.«
Danny ballte die Faust und hielt den Kopf gesenkt. »Ja, hat sie. Aber ich weiß, dass sie Ben Freeman jetzt mag, weil ich gesehen habe, wie die beiden sich geküsst haben.«
Er warf seinen Zigarettenstummel in die Feuerstelle und rieb sich mit beiden Händen übers Gesicht. »Drei Jahre sind eine lange Zeit, Danny. Deine Mum macht das Richtige, wenn sie versucht, neu anzufangen.« Er sah die Faust des Jungen und den halsstarrigen Zug um den Mund. »Magst du diesen Ben Freeman nicht? Findest du, er ist ein schlechter Mann?«
Danny wirkte noch immer mürrisch. »Er ist ganz in Ordnung«, sagte er zähneknirschend. »Er ist Feuerwehrhauptmann. Er wohnt da oben in seiner selbstgebauten Hütte.« Er öffnete die Faust. »Ich bin oben auf dem Turm gewesen und habe durch sein Fernglas direkt über die Baumwipfel geguckt. Ich darf seinen Feuerwehrhelm tragen und manchmal auch seinen Wagen fahren.«
»Dann ist er also gar nicht so übel?«
Danny verzog das Gesicht und zuckte die Achseln. »Mum würde ihn wohl nicht mögen, wenn er ein kompletter Schwachkopf wäre. Aber er wird nie mein Dad sein.«
»Ich bezweifle, dass er je vorhatte, die Stelle deines Vaters einzunehmen. Aber es hört sich an, als wäre er ein guter Mann, und wenn deine Mutter ihn so mag, dass sie ihn hin und wieder küsst, dann solltest du dich damit abfinden.«
»Ich will nicht, dass sie überhaupt jemanden küsst. Sie ist meine Mum. Und Dad würde das auch nicht gefallen.«
»Aber dein Dad ist nicht hier. Er ist seit drei Jahren tot, und deine Mutter sollte nicht den Rest ihres Lebens in Trauer um ihn verbringen müssen, weil du die Wahrheit nicht hinnehmen willst.« Er schaute über das Feuer auf den gesenkten Kopf des Jungen. »Willst du denn, dass sie ihr Leben lang traurig und einsam ist, Danny?«
Dannys Augen schwammen in Tränen, als er aufschaute. »Ich will nicht, dass sie traurig ist. Aber wenn sie Ben mag, habe ich Angst, dass sie Dad ganz vergisst. Sie hat schon die Erinnerungsschachtel weggeräumt, damit ich sie nicht mehr durchwühlen kann.«
Er streckte die Hand nach Danny aus. »Vielleicht findet sie es zu schmerzhaft, sie immer im Blick zu haben. Erwachsene leiden auch, wenn ihre Lieben sterben. Wir können es fast nicht glauben, dass wir sie nie wiedersehen oder ihre Stimmen hören werden – aber genau das müssen wir. Sie sind von uns gegangen, selbst wenn sie es nicht wollten, und wir können gar nichts dagegen tun. Aber sie leben in unserer Erinnerung weiter, Danny – und im Herzen deiner Mutter wird immer Platz für deinen Dad sein, was immer die Zukunft bringen mag.«
»Aber es ist so hart!«, schluchzte Danny und warf sich in seine Arme.
Er ließ ihn seinen Schmerz ausweinen und musste seine eigenen Tränen blinzelnd zurückdrängen, während er den Jungen hielt und wartete, bis das Schlimmste vorüber war. Der Krieg und der Tod verursachten so viel Kummer und Leid und betrafen alle Menschen, ungeachtet ihres Alters, berührten ihr Leben und beeinflussten ihre Zukunft. Er wollte dem Jungen so viele Fragen stellen, denn er lechzte nach jedem Detail aus den Leben, die ohne ihn geführt wurden – doch trotz seiner Sehnsucht hielt er den Mund. Solche Fragen könnten ihn verraten.
Er seufzte tief. Er musste die Vergangenheit hinter sich lassen, aber er war nicht
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