Das Land am Feuerfluss - Roman
Charaktere und Begabungen hatten sie eine besondere Verbindung gehabt, die nur Zwillinge begreifen können. Dann waren sie in den Krieg gezogen – und Max’ zarte Seele war nahezu zerstört worden.
Hugh spürte die sanfte Berührung seiner Mutter, die ihm die Tränen abwischte, und er begriff, wie schwer das alles für sie sein musste. Er nahm noch einmal ihre Hand und hielt sich daran fest. Dabei erinnerte er sich an Max, als er ihn zum letzten Mal gesehen hatte.
Das war in dessen schöner Hütte im Waratah Forest gewesen, in der Hugh seinen Bruder zweimal jährlich zu besuchen pflegte. Allem Anschein nach war Max endlich mit seiner Welt im Reinen – war fast ein Teil seiner herrlichen Umgebung geworden, da er den lieben langen Tag nach Nahrung suchte und malte, die Hütte reparierte und seine Tiere versorgte. Hugh hatte seinen Zwilling beinahe beneidet um die Ruhe und den Frieden, den er gefunden hatte, doch Max führte ein einsames Dasein, und Hugh konnte sich nicht vorstellen, ohne Jane und die Familie an seiner Seite durchs Leben zu gehen.
»Keine Mutter sollte ihren Sohn zu Grabe tragen«, sagte Gwyneth. »Das ist die verkehrte Reihenfolge. Möchtest du ihn vor der Beerdigung sehen? Dich noch einmal verabschieden?«
Hugh schüttelte den Kopf, denn er wollte seinen Bruder lieber lebendig und gesund im Gedächtnis behalten, mit seinen humorvoll funkelnden Augen und dem langen Haar, das ihm auf die Schultern fiel, wenn er Farbe und Leben auf die Leinwand brachte. »Aber ich möchte an der Beerdigung teilnehmen. Wann findet sie statt?«
»Reverend Baker ist nirgendwo aufzutreiben, deshalb ist der Pfarrer aus Blackall auf dem Weg hierher. Max ist nicht der Einzige, der beerdigt wird. Wir hoffen, dass der Gottesdienst stattfindet, bevor der Tag zu Ende geht.«
Sie schnäuzte sich und holte tief Luft, als müsse sie sich wappnen. »Big Mac hat angeordnet, dass sein chinesischer Koch auf Carey Downs beigesetzt wird, sobald das Feuer gelöscht ist. Wi Lings Sohn wird dafür sorgen, dass die chinesischen Bräuche eingehalten werden. Um den jungen Aborigine werden sich seine Leute nach Sonnenuntergang kümmern.«
Hugh war bemüht, wach zu bleiben, doch seine Augenlider flatterten.
»Ich lasse dich jetzt allein, damit du dich ausruhen kannst«, sagte Gwyneth leise, gab seine Hand frei und steckte sie unter die Decke. »Wenn es so weit ist, soll Terence nach dem alten Rollstuhl suchen, damit du nicht zu Fuß zur Kirche gehen musst.«
Er wollte schon sagen, er sei durchaus in der Lage, die kurze Strecke zu laufen, und dagegen protestieren, wie ein uralter Invalide herumgekarrt zu werden, aber der Funke des Protests erstarb, weil ihn endlich der Schlaf übermannte.
Die beiden großen Gruppen aus Feuerwehrleuten und Freiwilligen, die auf beiden Seiten gegen das Feuer angegangen waren, hatten sich inzwischen zu einer einzigen vereint. Aus den Wassertanks strömte ein konstanter Löschwasserstrahl, während mehr als vierhundert Männer langsam und entschlossen die Asche in den Grund trampelten und ständig auf die ersterbenden Flammen einschlugen.
Als die letzten Funken gelöscht waren und die brennenden Holzstücke zum letzten Mal aufgeflackert waren, wussten die Männer, dass sie gewonnen hatten. Aber sie waren zu erschöpft, um zu feiern, und konnten nur fassungslos auf die Verwüstung starren.
Ben stand neben seinem Vater und Jake. Sie blickten über die vielen Meilen versengter Erde hinweg, die bis an den fernen Horizont zu reichen schienen. Sie schauten über die verkohlten Vegetationsreste auf dem Waldboden zu den geschwärzten Gerippen von Scheunen, Farmhäusern und Scherschuppen, zu den schrumpeligen Resten versengter Baumstämme und den zertretenen Ameisenhaufen und weiter zu den verschmorten Solitärbäumen und den verbrannten Tieren, denen es nicht gelungen war zu entkommen.
Ben und sein Vater tauschten ein mattes Lächeln der Erleichterung. »Schätze, wir sind hier endlich fertig.«
Sein Vater suchte Halt an Bens Schulter. »Ja, mein Sohn, das sind wir wohl, aber eine Menge harter Arbeit steht uns bevor, wenn wir alles wieder richten wollen.«
Ein Donnerschlag ließ sie zusammenfahren, und alle schauten in die schweren dunklen Wolken. Plötzlich wurde der Wind kühler.
Ben spürte einen kalten Tropfen im Gesicht – und dann noch einen zweiten, einen dritten. Er begann zu lachen, als der Himmel sich öffnete und der Regen niederprasselte. »Besser spät als nie!«, rief er zu Jake hinüber,
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