Das Land am Feuerfluss - Roman
Stiefel wirbelten Staub auf. Der Schmerz nagte an seinen Eingeweiden, während er langsam den Marsch entlang der Bahntrasse wieder aufnahm.
Terence war schließlich gezwungen gewesen, den Wagen an den Straßenrand zu fahren, weil Sandra dringend die Blase entleeren musste. Kurz darauf schlief er beinahe am Lenkrad ein und hielt erneut an, um sich die dringend benötigte Ruhe zu gönnen.
Diese außerplanmäßige Verzögerung hatte wieder einen Streit mit Sandra ausgelöst, die sich nicht mit ihm am Lenkrad abwechseln wollte und gehässig wurde, als es darum ging, am Ende der Welt im Auto zu schlafen. Ihre Tiraden nützten ihr freilich nichts, denn Terence fiel fast sofort in einen tiefen Schlaf und hörte nichts.
Er schrak auf, als sich ihr Finger schmerzhaft in seine Rippen bohrte. Mit verschwommenem Blick schaute er sie an, im ersten Moment verwirrt von der fremden Umgebung.
Sandra sah furchtbar aus. Ihr helles Haar war zerzaust, die Wimperntusche unter den Augen verschmiert, die unvermeidliche Zigarette erfüllte den Wagen mit giftigem Rauch. »Die Sonne ist aufgegangen, und du hast genug Pause gehabt«, fuhr sie ihn an. »Ich konnte nicht eine Minute die Augen zumachen, denn ich wusste, dass man uns jederzeit ermorden könnte. Und dass du geschnarcht hast wie eine Horde Wildschweine war auch nicht gerade hilfreich.«
Er fuhr sich mit den Fingern durch das hellbraune Haar und gähnte. »Ich muss zuerst pinkeln und brauche eine Tasse Kaffee.« Er stieg aus dem Wagen, stellte sich an den Straßenrand, knöpfte den Hosenladen auf und seufzte zufrieden, als der scheinbar endlose Strahl die rote Erde verdunkelte. Er brachte seine Kleidung in Ordnung, öffnete die Beifahrertür und griff an Sandra vorbei nach der Kaffeekanne im Handschuhfach.
»Ihr Männer habt’s gut«, knurrte sie, schwang die langen Beine aus dem Wagen und stieg aus. »Ihr könnt überall pinkeln.«
»Hier hält dich nichts auf. Ich guck auch nicht hin«, sagte er und genoss den warmen, süßen Kaffee.
»Es wird heller«, brummte sie. »Hier könnte jeder vorbeikommen und mich sehen.«
»Das bezweifle ich. Wir haben seit gestern Morgen kein anderes Auto gesehen. Bring dich in Ordnung, dann können wir aufbrechen.« Er trat von der geöffneten Wagentür zurück, drehte Sandra den Rücken zu, die noch immer schmollte, begab sich auf die Fahrerseite und setzte sich aufs Trittbrett.
Das leise Balzen der Elstern ertönte. Die Sonne erhob sich in einen klaren hellblauen Himmel, und Terence ließ sich besänftigen. Er hatte vergessen, wie friedlich es hier draußen war. Als er die menschenleere Straße entlangschaute, die sich durch jungfräuliche Wälder und viele Meilen durch unbewohntes Hügelland wand, war er überrascht, wie sehr ihm dieser Landstrich ans Herz gewachsen war.
Er hatte Morgan’s Reach vor sechzehn Jahren verlassen, um die medizinische Hochschule zu besuchen, und war nie zurückgekehrt – nur gelegentlich für eine Woche in den ersten Jahren. Die Stadt hatte alles geboten, was er damals zu wollen glaubte, aber der Krieg hatte den Glanz genommen, und bevor er es gemerkt hatte, war er fünfunddreißig und nur einer unter vielen Arbeitern im Ameisenhaufen von Sydney. Er war stets in Eile und hielt nie inne, um Vögeln zu lauschen oder einen Sonnenaufgang zu bewundern.
Er trank den Kaffee aus und kippte den Bodensatz auf den Asphalt. Vielleicht war es doch keine so schlechte Idee gewesen, Sydney zu verlassen, denn nicht nur Sandra brauchte einen Tapetenwechsel und eine Chance, Atem zu schöpfen. Es gab ein Gedicht, das er in der Schule gelernt hatte, und er versuchte sich daran zu erinnern, denn es traf die Situation genau. Doch ihm fiel nur eine Redewendung ein, in der es um Stehen und Staunen ging. »Was soll’n die Millionen dieser Welt, wenn uns die Zeit zum Staunen fehlt?«, murmelte er vor sich hin und freute sich, dass er es nicht komplett vergessen hatte.
»Du führst Selbstgespräche, Terry«, sagte Sandra durch das offene Fenster.
Seufzend prüfte er den Ölstand, den Wasser- und Benzinpegel, füllte den Tank aus den beiden Kanistern im Kofferraum auf und setzte sich wieder hinters Lenkrad. Noch ein paar Versatzstücke des Gedichts kamen ihm in den Sinn.
»Die Zeit, zu späh’n, am Waldessaum nach Eichhorns Nüssen unterm Baum«, flüsterte er. »Wie arm das Leben auf der Welt, wenn uns die Zeit zum Staunen fehlt!«
Sie verdrehte die Augen und schnalzte ungehalten mit der Zunge, bevor sie sich weiter schminkte.
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