Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Land am Feuerfluss - Roman

Das Land am Feuerfluss - Roman

Titel: Das Land am Feuerfluss - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
Vom Netzwerk:
Seesack fallen, trank etwas Wasser aus seinem Lederbeutel und schaute an den Eisenbahnschienen entlang. Für manche war dies ein einsamer Ort, denn die nächste Ansiedlung war meilenweit entfernt. Aber diese Schienen waren die Verbindung zwischen den Weiten des Outback und dem Rest von Australien.
    Er schlug die schlappe Hutkrempe über die Augen, setzte sich auf den Seesack und kaute auf einem Stück Trockenfleisch, das er in seiner Hemdtasche aufbewahrt hatte. Diese Bahnstrecke hatte ihn ins Internat in der Stadt geführt, als er gerade zehn geworden war, und ihn als jungen Mann für kurze Zeit wieder zurückgebracht. Dann war der Krieg ausgebrochen, und erneut hatte ihn ein Zug weit fortgetragen von Zuhause und allem, was er kannte – zu den Militärbaracken, in denen er gezwungen war, alles zu vergessen, wofür er je eingetreten war, und gelernt hatte zu töten.
    Er fingerte an der Hutkrempe herum und verscheuchte geistesabwesend die lästigen Fliegen vor dem Gesicht. Die Trauer um alles, was er verloren hatte, war noch vorhanden, aber tief unter Momenten wie diesem begraben, und er brauchte eine Weile, um sich zu fangen.
    Sobald er bereit war, seinen Weg fortzusetzen, griff er sich den Seesack und folgte den Gleisen nach Norden. Seine Stiefel knirschten auf dem roten Schotter, der auf der verdorrten Erde lag. Er musste richtigen Schatten finden, damit er sich in der heißesten Tageszeit ausruhen konnte, sonst wäre er am Abend zu nichts mehr zu gebrauchen. Wenn er sich recht erinnerte, stand in ein paar Meilen eine Schäferhütte. Da gerade keine Ablammsaison war, würde sich niemand von der Wilga-Farm dort aufhalten, sodass er sich bis zum Sonnenuntergang hinlegen könnte.
    Plötzlich roch er etwas; ihm blieb das Herz stehen. Alarmiert sog er die Luft ein und lauschte. Sein suchender Blick wanderte über die Windmühle, deren Flügel sich im warmen Wind quietschend drehten. Dann bemerkte er die Rauchschwaden, die sich aus einem Grasbüschel neben einem Stacheldrahtzaun erhoben. Flammen züngelten an einem Zaunpfahl, noch mehr huschten durch das Gras und breiteten sich auf andere Büschel aus.
    Er rannte los, der Seesack hüpfte auf dem Rücken, seine Stiefel trampelten über festen Boden. Er riss den Sack auf, leerte ihn und rollte den Mantel aus. Die Flammen fraßen sich am Zaunpfahl entlang und streckten im Gras die Fühler gierig nach mehr Zündstoff aus. Aber das Feuer musste gerade erst ausgebrochen sein. Es war noch zu beherrschen – aber nur, wenn er schnell handelte.
    Er schwitzte, als er die Flammen mit dem Mantel erstickte und darauf herumtrampelte, um sicherzugehen, dass auch der letzte Funke erloschen war. Ein Brand hier draußen konnte meilenweit wüten, und Bob Freeman, dem das Land gehörte, würde alles verlieren.
    Der Mantel war nun an ein paar Stellen verbrannt oder verkohlt, aber das machte nichts. Der Mann warf ihn beiseite und trampelte weiter auf dem geschwärzten Gras herum, bis er sicher war, dass keine glühende Asche mehr vorhanden war. Der Zaunpfahl jedoch war noch heiß, denn das Feuer hatte sich tief ins Holz gefressen und das Teeröl gefunden, mit dem er getränkt worden war. Ein warmer Windstoß würde das Feuer erneut anfachen.
    Er kroch unter dem Stacheldraht hindurch, füllte den Hut mit Wasser aus dem Trog und goss es rasch über den Pfahl und das Gras ringsum. Er wiederholte den Vorgang, bis er sicher sein konnte, dass die Gefahr gebannt war. Beinahe völlig entkräftet, steckte er den Kopf unter das tropfende Rohr, das den Trog versorgte, und schüttelte sich anschließend wie ein Hund, bevor er sich zu Boden warf.
    Die beiden toten Kühe hatten bereits einen Schwarm Fliegen angezogen und begannen in der zunehmenden Hitze zu stinken. Er beäugte sie finster und rappelte sich mühsam auf. Hier konnte er nicht bleiben, sonst würde er wie die Kühe enden.
    Der Stacheldraht zerriss ihm das Hemd und zerkratzte seinen Rücken, als er hindurchkroch. In der Luft und im Mantel hing noch der beißende Geruch nach Feuer. Er packte seinen Seesack wieder. Das Feuer war sein Feind, denn es weckte die schlimmsten aller Erinnerungen – an die eigene Hilflosigkeit, an die Schreie, an den Anblick von –
    Er kehrte der Windmühle den Rücken, schwang den Seesack über die Schulter und taumelte davon. Er verschwendete nur Energie mit der Erinnerung an solche Szenen, denn sie taten seiner Seele nicht gut. Und er konnte die Zeit nicht zurückdrehen, um alles ungeschehen zu machen. Seine

Weitere Kostenlose Bücher