Das Land am Feuerfluss - Roman
den Hüften baumelten. Aber wir trauten uns nicht in die Nähe der Kamele, denn sie waren garstig. Sie spuckten und versuchten zu beißen.«
Danny schaute mit wissendem Grinsen zu ihm auf. »Du erzählst Märchen, Grandpa. Hier gibt es keine Kamele. Die sind alle im Zoo von Brisbane.«
»Ah«, sagte Hugh und fuchtelte mit der Gabel, »da irrst du dich, Danny. Kamele wurden früher für alles Mögliche verwendet. Sie waren praktisch, verstehst du; sie können schwere Lasten durch unwirtliches Gelände tragen und kommen wochenlang ohne Wasser und Nahrung aus. Sie halfen den Menschen beim Bau von Straßen und Bahnlinien – was natürlich ihr Untergang war, denn mit dem Aufkommen von Zügen und Lastern wurden die Afghanen und ihre Kamele nicht mehr gebraucht. In manchen Gegenden Australiens laufen ganze Herden wilder Kamele frei herum.«
Danny wirkte skeptisch, entschied sich aber offenbar, seinen Zweifel nicht laut auszusprechen, nur für den Fall, dass sein Großvater doch die Wahrheit sagte.
Alle aßen in einvernehmlichem Schweigen weiter, als die Sonne aufging und einen klaren, wolkenlosen Himmel sehen ließ. Das Gewitter war vorübergezogen. Es war bereits heiß und noch immer kein Regen in Aussicht.
Rebecca hatte ihre Portion gegessen und trank Tee, als die vordere Fliegentür klapperte und Gwyneth in den Raum stapfte, gefolgt von Wally. »Herzlichen Glückwunsch, Danny!«, rief sie fröhlich, ließ sich auf den Stuhl neben ihm fallen und hängte ihren Gehstock an den Tisch. »Wie ist es denn so, zehn zu sein?«
Er erwiderte ihr Grinsen, bemüht, die Enttäuschung darüber zu verbergen, dass weder sie noch seine Großeltern ihm ein Geschenk mitgebracht hatten. »Weiß nicht«, antwortete er. »Ich bin noch nicht lange zehn; vielleicht muss man sich erst daran gewöhnen.« Er wischte den Milchbart mit dem Arm ab, rutschte vom Stuhl und beschäftigte sich mit Wally, der auf der Suche nach Krümeln unter dem Tisch herumschnüffelte.
»Wenn du dein Frühstück beendet hast, möchtest du vielleicht die Überraschung sehen, die deine Großeltern und ich für dich haben.«
Seine Miene hellte sich im Nu auf. »Allerdings. Was ist es denn?«
»Na, wenn ich das verriete, dann wäre es ja wohl keine Überraschung mehr, oder? Geh doch einfach rüber zu mir und sieh auf der hinteren Veranda nach.«
Er stürmte aus der Küche, ließ die Fliegengittertür hinter sich zuknallen und tapste barfuß die Stufen hinunter.
»Freut mich, dass er heute so fröhlich ist«, bemerkte Gwyneth und nahm eine Tasse Tee entgegen. »Ich hoffe, dass er jetzt, mit zehn, den ganzen Unsinn über Adam vergisst und nach vorn schaut.«
»Er wird seinen Vater nicht einfach über Nacht vergessen«, protestierte Rebecca.
»Das wird er nie, wenn du andauernd von ihm sprichst und ihm erlaubst, diesen Karton zu durchwühlen«, entgegnete Gwyneth. »Es ist fast drei Jahre her, Becky, höchste Zeit, den Karton wegzustellen und in die Zukunft zu blicken. Es tut nicht gut, in der Vergangenheit zu verharren. Und Ben Freeman wird nicht ewig warten, wenn du so lange fackelst.«
»Zwischen mir und Ben läuft nichts«, sagte sie nachdrücklich als Antwort auf die fragenden Blicke ihrer Eltern.
Gwyneth schnaubte. »Und daraus wird auch nie was, wenn du dich nicht tummelst und daran arbeitest, statt die Besessenheit des Jungen zu unterstützen.«
»Mum!«, mahnte Hugh leise. »Fang nicht wieder damit an – nicht heute!«
Sie warf ihm einen wütenden Blick zu. »Ich sage, was ich für richtig halte, Hugh. Das war schon immer so, und das wird auch so bleiben.«
Rebecca unterdrückte mühsam ihren Zorn. »Danny ist mein Sohn. Und ich werde alles auf meine Weise regeln«, sagte sie kategorisch. »Außerdem ›unterstütze‹ ich seine Besessenheit nicht, wie du es nennst, ich versuche nur, ihn aus dieser schrecklichen Trauer zu holen, ohne noch mehr Schaden anzurichten.«
»Dieses ganze moderne Gerede ist doch dummes Zeug. Er ist jetzt zehn und damit alt genug, um sich klare Worte anzuhören.« Gwyneth verschränkte die Arme und betrachtete ihre Enkelin ruhig und gelassen. »Wenn das so weitergeht und du nichts Entscheidendes unternimmst, um dem ein Ende zu setzen, dann tu ich es.«
»Ich liebe und achte dich, Grandma Gwyn, aber das wirst du nicht tun. Das ist meine Angelegenheit, und ich werde sie so regeln, wie es mir passt.«
»Das ist nicht nur deine Sache«, widersprach Gwyn aufgebracht. »Das betrifft uns alle.«
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