Das Land am Feuerfluss - Roman
erwarten, ihn einfach zu vergessen, wenn ich doch jeden Tag, jede Stunde, an ihn denke? Was meinst du, warum ich trinken muss? Das macht den Schmerz erträglich, Terry, es verdrängt die Erinnerungen an ihn, wie er da so still in dem schrecklichen Sarg liegt und ich zusehen muss, wie er in der Erde versenkt wird, in dem Wissen, dass ich Michael nie wieder in den Armen halten werde.«
Ihre Worte gingen ihm ans Herz. »Auch ich trauere um ihn«, erklärte er mit erstickter Stimme. »Er wird niemals in Vergessenheit geraten, aber es wird Zeit, sich damit abzufinden, dass er nicht mehr da ist. Wir müssen dankbar sein, dass wir ihn gehabt haben, wenn auch nur für kurze Zeit.«
Er zog ein Taschentuch aus der Tasche. »Trockne dir die Tränen ab, Schätzchen, und versuch, in die Zukunft zu –«
»Das sagst du so leicht«, unterbrach sie ihn und riss ihm das Taschentuch aus der Hand. »Du hast ihn nicht zur Welt gebracht. Du warst nicht da, als er krank wurde und –« Die Worte versiegten, weil ihre Gefühle überhandnahmen.
»Ich bin so schnell wie möglich nach Hause gekommen.« Er streckte wieder die Arme nach ihr aus.
Sie wich vor ihm zurück, putzte sich die Nase und wischte die Tränen ab, bevor sie sich mit zitternden Händen eine Zigarette anzündete. »Das war zu spät, Terence. Viel zu spät, verdammt noch mal.«
Er ließ den Kopf hängen. Traurigkeit und Schuldgefühle lasteten beinah unerträglich schwer auf seiner Seele. »Es war Krieg. Ich konnte nicht sofort zurück.«
Sie schaute wütend aus dem Fenster und rauchte weiter. »Wie überaus praktisch«, fuhr sie ihn an.
»Das ist unfair, Sandra – und das weißt du auch. Ich war mitten auf dem verfluchten Atlantik, als dein Telegramm kam. Natürlich wollte ich bei dir sein.«
Sie zuckte mit den Schultern. Terence sah ihr jedoch an, dass sie genau wusste, wie unvernünftig sie war, es jedoch nicht zugeben wollte.
Terence stieg aus und schlug die Wagentür zu. Seine Geduld war fast am Ende. Aber er wusste aus Erfahrung, dass man Worte, die in solchen Momenten übereilt ausgesprochen wurden, womöglich jahrelang bereute. Er starrte zwischen die Bäume ringsum, die Sicht verschwommen von Tränen, und dachte an seinen kleinen Sohn, den er kaum hatte kennenlernen können.
Michael war im Januar nach Kriegsausbruch zur Welt gekommen, und acht Monate später hatte Terence die Einberufung erhalten. Er war einem Lazarettschiff der Royal Australian Navy zugeteilt worden und schon fast zwei Jahre auf See, als man ihm das furchtbare Telegramm zustellte. Obwohl er unbedingt zu Sandra hatte zurückkehren wollen, war es ihm unter den gegebenen Umständen nicht möglich gewesen.
Terence holte tief Luft. Er wünschte sich von ganzen Herzen, dass zwischen ihnen alles wieder in Ordnung kommen möge. Obwohl ein weiteres Kind Michael niemals ersetzen könnte, hatte er gehofft, Sandra würde einwilligen, noch einmal schwanger zu werden. Doch sie hatte zweifellos während seiner langen Abwesenheit einen Nervenzusammenbruch erlitten, und er hatte sehr schnell erkannt, dass ein weiteres Kind ganz und gar keine Lösung wäre. Außerdem gab es ohnehin keine Hoffnung, solange sie sich weigerte, mit ihm zu schlafen.
Er blinzelte, um die Tränen zu verscheuchen. Anscheinend konnte sie ihm noch immer nicht verzeihen, dass er nicht da gewesen war, als sie ihn am dringendsten gebraucht hatte. Er konnte es ihr nicht einmal verdenken.
Die vergangenen achtzehn Monate waren sehr schwer gewesen, und diese Reise nach Morgan’s Reach war sein verzweifelter, letzter Versuch, alles wieder ins Reine zu bringen. Sollte es nicht funktionieren, hätte er versagt – und an Misserfolg war er nicht gewöhnt. Terence ging um den Wagen herum und machte die Tür auf, um wieder einmal zu versuchen, sich mit seiner Frau zu versöhnen.
Sandra wirkte etwas gefasster und schminkte sich bereits neu. »Falls du mir nicht sagen willst, dass wir nach Sydney zurückfahren, spar dir deine Worte!«, knurrte sie.
»Ich verstehe ja, wie schwer dir dieser Ausflug fällt«, sagte er leise. »Aber wir beide wissen, wie wichtig es war, aus Sydney rauszukommen, um alles klarer zu sehen und neu anzufangen. Du wirst nicht allein sein, Sandra. Ich begleite dich auf dem Weg. Wir stehen es gemeinsam durch.«
Sie klappte die Puderdose zu und steckte sie wieder in die Handtasche. Ihr Blick war herausfordernd. »Am Tag unserer Hochzeit hast du geschworen, mich nie zu verlassen«, erwiderte sie kategorisch, »und
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