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Das Land am Feuerfluss - Roman

Das Land am Feuerfluss - Roman

Titel: Das Land am Feuerfluss - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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du siehst, was passiert ist.«
    Sie würde die Geduld eines Heiligen strapazieren, dachte er matt. »Ich liebe dich, Sandra«, antwortete er schlicht. »Bitte, sei nicht so!«
    »Ich will was trinken«, forderte sie rundheraus.
    Er holte tief Luft, richtete sich auf und schloss die Beifahrertür. »Ich habe nur Kaffee oder Wasser anzubieten.«
    »Aber ich brauche was Richtiges, wenn ich deiner Familie gegenübertreten soll.« Sandra setzte eine listige Miene auf und griff nach seiner Hand. »Komm schon, Terry!«, bettelte sie. »Ich weiß, dass du irgendwo ein Fläschchen versteckt hast. Ein kleiner Schluck würde doch nicht schaden.«
    Terence dachte an die Flasche, die er unter dem Ersatzreifen im Kofferraum versteckt hatte. Offensichtlich hatte Sandra sie noch nicht entdeckt. Aber da der Whisky ein Geschenk für seinen Vater war, würde er ungeöffnet im Versteck bleiben.
    Er setzte sich wieder hinter das Lenkrad. »Du hast dich bisher ganz gut gehalten. Acht Tage ohne Alkohol, das ist eine beachtliche Leistung. Ich bin sehr stolz auf dich.«
    Sandra funkelte ihn wütend an und schlang beide Arme fest um ihre Taille. »Bevormunde mich nicht, Terence! Ich bin kein Kind.«
    »Dann hör auf, dich so zu benehmen«, sagte er sanft und drehte den Schlüssel im Zündschloss herum.
    Finster schaute sie aus dem Fenster auf die Gummibäume und den schmalen Weg, dem sie folgten. Ihre Feindseligkeit war nahezu mit Händen greifbar.
    Terence bemühte sich nach Kräften, sie nicht zu beachten, während sie über Fahrrinnen und hervortretende Baumwurzeln rumpelten. Seine geliebte Limousine war nicht für solch eine Reise gedacht, und eine Panne wäre jetzt das Letzte, was er brauchte; dann müsste er Sandra nämlich zwingen, den Rest des Weges in ihren untauglichen Schuhen zu Fuß zurückzulegen.
    Der Motor heulte, die Federung ächzte, und Terence hatte Mühe, den Wagen von den Bäumen fernzuhalten, die den makellosen Lack zu zerkratzen und die schweren Halteseile zu kappen drohten, mit denen der Kofferstapel auf dem Dach befestigt war.
    Dann wurde die Piste endlich breiter, und Terence sah einen weißen Schimmer vor sich. »Wir sind fast da«, sagte er aufgeregt. »Schau, Sandra, da ist das Krankenhaus und Granny Gwyns Seitenveranda.«
    Sie zuckte die Achseln und machte damit nur allzu deutlich, dass ihr das Krankenhaus und alles, was mit Morgan’s Reach zu tun hatte, völlig gleichgültig waren.
    Terence erreichte das Ende des Weges und ließ den Motor im Leergang laufen, während er den Anblick seines Geburtsortes in sich aufnahm.
    Die breite Hauptstraße war fast leer – bis auf ein Polizeiauto, das vor der Wache stand, und einige dösende Pferde, die vor der Kneipe angebunden waren. Rauch stieg aus der Schmiede auf, wo ein Mischlingshund Wache am Nachbarzaun hielt. Zwei Frauen tratschten im Schatten vor dem Kramladen, und eine Gruppe kleiner Jungen flitzte auf Fahrrädern umher und warf bei Wendemanövern Staub auf.
    Er nahm die ordentlichen, jedoch verdorrenden Gärten zur Kenntnis, die weißen Lattenzäune und die rostige Windmühle, die schon lange vor seiner Geburt am Wasserloch der Stadt gestanden hatte. In seiner Abwesenheit hatte sich nicht viel verändert; es war, als sei er wieder ein Kind.
    Beim Anblick dieses wunderbar vertrauten Ortes begann Terence sich zum ersten Mal seit einer Ewigkeit zu entspannen. Denn hier war er zu Hause. Hierher gehörte er, hier würde man ihn im Schoß der Familie willkommen heißen, und hier bot sich auch die Chance, sein Leben zu ordnen.
    »Das ist es?«, fragte Sandra stirnrunzelnd. »Du hast den langen Weg mit mir unternommen für dieses – hinterwäldlerische Loch?«
    Seine Freude zerstob bei ihren Worten. Ohne sich um eine Antwort zu bemühen, fuhr er den Wagen an die andere Straßenseite und stellte ihn vor dem Farmgebäude der Morgans ab, wo ein Eukalyptusbaum spärlichen Schatten spendete. Er betrachtete den welkenden Garten, die vertrauten grünen Fensterläden und Fliegengitter und fand nach einiger Suche eine tiefe Einkerbung an einem der Verandapfosten. Er war sechs oder sieben Jahre alt gewesen, als er mit dem Roller dagegengefahren war, doch er konnte sich noch daran erinnern, wie er über das Geländer gesegelt und mit einem atemberaubenden Aufprall im Gras gelandet war.
    Schief lächelnd fuhr er über die kleine halbmondförmige Narbe auf seiner Stirn, ein Überbleibsel des Unfalls. Die Wunde hatte stark geblutet, erinnerte er sich mit demselben Stolz, den er

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