Das Land am Feuerfluss - Roman
bevor es die anderen mir nahelegten.«
Rebecca betrachtete ihren Bruder eingehend. »Entsprachen ihre Beschuldigungen denn der Wahrheit, Terry?«
Er schüttelte finster den Kopf. »Keineswegs.« Er begegnete Rebeccas Blick. »Dass du mich für so oberflächlich hältst, verletzt mich.«
»Ich habe dich nie für oberflächlich gehalten, nur für einen Mann, dessen Geduld überstrapaziert wurde. Ich hätte dir keinen Vorwurf gemacht, wenn du bei jemand anders Trost gesucht hättest.«
»Tja, das habe ich nicht«, brummte er, »obwohl ich zwischendurch weiß Gott in Versuchung war. Aber ich liebe Sandra nach wie vor, und ich möchte nur, dass alles wieder so wird wie damals, vor Michaels Tod –«
Sie hörte, dass ihm die Stimme versagte, und drückte ihm mitfühlend die Hand. »Mum und ich werden sie im Auge behalten, keine Sorge. Und wenn Sandra so weit ist, suchen wir ihr eine Uniform aus und beschäftigen sie wieder im Krankensaal. Sie braucht eine Aufgabe, und wir brauchen jede Hilfe, die wir kriegen können. Es wäre doch eine Schande, wenn all die Jahre ihrer Ausbildung zu nichts nütze wären.«
»Sie war eine ausgezeichnete Krankenschwester. Und da Dad mich zweifellos auf Trab halten wird, wäre es gut, sie wieder bei den Kranken zu sehen. Aber überstürze nichts, Becks!«, warnte er leise. »Sie hat ihr Selbstvertrauen verloren, und es kann eine Weile dauern, bis sie wieder so weit ist.«
Er erhob sich und umarmte sie. »Danke, Becks«, flüsterte er. »Du bist eine Lebensretterin.«
»Kleine Schwestern sind manchmal schon von Nutzen«, neckte sie ihn. »Und jetzt geh zu Bett, bevor du umfällst. Dad will, dass du morgen früh gleich startklar bist. Du weißt ja, wie pingelig er auf Pünktlichkeit achtet.«
Sie trennten sich in dem langen Flur, der zu den vier Schlafräumen führte, und sie spähte zu Danny hinein. Er schlief, erschöpft von seinem aufregenden Tag; sein geliebtes Fahrrad lehnte am Fußende des Bettes. Rebecca schloss die Tür und suchte ihr Zimmer auf.
Kurz darauf lag sie im Bett und lauschte dem Donner. Die Hitze wurde stärker. Terrys überraschende Ankunft hatte ihrem Vater neuen Lebensmut verliehen, und ihre Mutter hatte den ganzen Tag über nicht aufgehört zu lächeln. Granny Gwyn hatte sich nach Kräften bemüht, ihre Abneigung gegenüber Sandra zu verbergen; der Stolz auf ihren Enkel schien durch, während ihr Blick ihm überall folgte. Danny hatte einen neuen Spielgefährten gefunden, der ihn nur allzu bereitwillig die Schienen so aufbauen ließ, wie er es wollte, und stundenlang mit ihm auf dem Boden lag und Züge rangierte.
Alles in allem war der Tag gut gewesen – und noch besser geworden, als sie und Ben sich hinter das Schulhaus hatten stehlen und küssen können, während die Geburtstagsfeier auf dem Höhepunkt war. Rebecca schloss die Augen. Als der Schlaf sie übermannte, lag noch immer ein zufriedenes Lächeln auf ihren Lippen.
Die Sterne verschwanden hinter den unheimlich heranrollenden Wolken, der Donner grollte immer bedrohlicher, und die Bewohner von Morgan’s Reach schliefen hinter Fensterläden und Fenstern, die fest geschlossen waren gegen den Staub, der bald durch die Stadt wehen würde, da die heißen Winde aus der Wüste im Westen kamen.
Als der erste feine rote Staub sich über Wege und Pfade wälzte, war es zwei Uhr morgens. Die Straße lag verlassen da, alle Häuser waren dunkel, und die Windmühle begann zu klappern.
Gwyneth hatte ihren Beobachtungsposten auf der vorderen Veranda längst verlassen, denn jetzt, da die Stadt schlief, gab es nichts zu sehen, und sie war nach dem langen, heißen Tag sehr müde. Wäre sie jedoch noch ein wenig länger geblieben, hätte sie gemerkt, dass nicht alle in Morgan’s Reach schliefen – und hätte vielleicht eine Tat verhindern können, die unwillkürlich eine Reihe von Ereignissen in Gang setzte, die letzten Endes tragische Folgen haben würden.
6
K urz vor Mittag hatte er die Schäferhütte erreicht. Sie stand verlassen im spärlichen Schatten von zwei welkenden Eukalyptusbäumen – eine baufällige Ansammlung grob behauener Holzklötze, bedeckt von einem rostigen Stück Wellblech. Fenster gab es keine, die Tür war nur eine Öffnung und so niedrig, dass er hineinkriechen und den Seesack hinter sich herziehen musste.
In dem engen Raum war es dunkel, muffig und heiß wie in der Hölle. Der Boden bestand aus gestampfter Erde, auf die altes Stroh gestreut war, das nach uraltem Schweiß,
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