Das Land am Feuerfluss - Roman
Streifen, die sich in den dichter werdenden Wolken ineinander verdrehten. Der Anblick war dramatisch und gewaltig, und plötzlich hatte sie es eilig zu malen. »Von dort oben habe ich eine bessere Sicht«, sagte sie und zeigte auf die Höhe eines tröpfelnden Wasserfalls. Sie trank ihren Kaffee aus und schüttete den Bodensatz ins Gebüsch.
»Das dauert eine Weile«, rief er ihr ins Gedächtnis. »Werde also nicht ungeduldig, wenn du nicht genau das hinkriegst, was du wolltest. Arbeite einfach daran! Es kommt schon.«
»Danke, Max.« Sie küsste ihn flüchtig auf die Wange und widerstand dem dringenden Bedürfnis, ihn zu umarmen.
Er grinste sie unter der Hutkrempe hinweg an. »Du weißt, wo alles ist. Ich habe deine Pinsel geschmeidig gehalten, und es sind ein paar neue Leinwände da. Die frischen Farbtuben liegen in der Schublade.«
Sie zog die Augenbrauen hoch. »Jetzt sag bloß, du warst tatsächlich einkaufen!«
Sein Lächeln war auf einmal schüchtern. »Ich hatte einen Besucher. Und der hat mir freundlicherweise alles mitgebracht, was ich brauchte.«
Das waren in der Tat überraschende Neuigkeiten, denn Max mied menschlichen Kontakt, so gut es eben ging. Sal war sich durchaus des Privilegs bewusst, hier zu sein. »Du kannst so was nicht erzählen und dann von mir erwarten, dass ich nicht neugierig bin. Komm schon, Max, raus mit der Sprache!«
Er säuberte seinen Spachtel mit einem alten Lappen, offensichtlich um Zeit zu schinden und herauszufinden, wie viel er ihr verraten sollte. »Er war vor langer Zeit mein Kumpel«, sagte er schließlich. »Wir haben den Kontakt verloren, nachdem –«
Er räusperte sich und schüttelte den Kopf, als wolle er seine Erinnerungen abwehren. »Jedenfalls hat er mich vor ein paar Jahren ausfindig gemacht und einen Brief an mein Postfach in Windorah geschickt. Da ich nur zweimal im Jahr hinfahre, hat er dort monatelang gelegen.«
»Aber das sind doch wunderbare Neuigkeiten«, sagte Sal, ohne nachzudenken. Dann runzelte sie die Stirn. »Oder nicht?«
Er zuckte mit den Schultern. »Ich wusste nicht, ob ich ihn nach allem, was wir durchgemacht haben, wiedersehen wollte. Daher habe ich eine Zeit lang nicht geantwortet. Dann hat mich wohl die Neugier übermannt, und ich habe zurückgeschrieben.«
Sal sah Max an, dass es ihm schwerfiel, so viel von sich preiszugeben, denn er war ein zurückgezogener Mensch mit einer Geschichte, die selbst sie nicht vollständig hatte aufdecken können. »Ist schon gut, Max«, besänftigte sie ihn. »Mehr musst du mir gar nicht erzählen.«
Sein Blick blieb an seinem unvollendeten Gemälde hängen. »Du musst es wohl erfahren, denn sein Besuch hier betrifft auch dich.«
»Mich?« Sie schaute ihn entsetzt an. »Aber du hast versprochen, niemandem zu erzählen, dass ich herkomme. Oh, Max, wie konntest du nur?«
Sein wettergegerbtes Gesicht verzog sich vor Kummer. »Er weiß weder deinen Namen noch woher du kommst, Sal. Ich habe mein Versprechen nicht gebrochen.«
»Warum sollte sein Besuch dann mich betreffen?«
Er räusperte sich und konzentrierte sich wieder darauf, seinen Spachtel zu reinigen. »Sam Butler war Künstler, als ich ihn damals kannte. Ein ziemlich guter sogar. Heute besitzt er eine Galerie in Sydney. Einmal im Jahr fährt er hier raus, um sich anzuschauen, was ich gemacht habe.«
»Das haut mich um, Max«, staunte sie. »Damit hast du hinter dem Berg gehalten.«
Er zuckte erneut mit den Schultern. »Es ging niemanden außer mir etwas an.«
»Hat er deine Arbeiten mitgenommen, um sie auszustellen?«
Sein Lächeln war umwerfend, doch er wich ihrem Blick aus. »Er hat im Lauf der Jahre ein paar gezeigt«, gab er verlegen zu, »und den Leuten scheinen sie so gut zu gefallen, dass sie Höchstpreise dafür bezahlen.«
Ehrfürchtig schaute sie ihn an. »Du bist ein berühmter Künstler, und ich hab’s nicht gewusst.«
Er schnalzte ungehalten mit der Zunge. »Ich male unter Pseudonym, daher bist du nicht die Einzige. Mit dem Ruhm ist es nicht sehr weit her, Sal. Ich habe es schon einmal versucht – und das hat mir überhaupt nicht gutgetan.« Er steckte den Spachtel zu den sauberen Pinseln in ein Marmeladenglas und stand auf. »Deshalb lebe ich hier draußen – weit weg von einer tobenden Menge – und zu meinen eigenen Bedingungen.«
»Aber wenn du so gut verdienst, könntest du dir wenigstens ein paar Annehmlichkeiten leisten.«
»Ich habe hier alles, was ich brauche«, sagte er leise und streichelte
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