Das Land am Feuerfluss - Roman
beiseite. »Und natürlich freut er sich, dich zu sehen und wieder zu Hause zu sein – aber in solchen Momenten hat seine Arbeit Vorrang.«
Sandra unterdrückte schniefend die Tränen, schwieg und wich Rebeccas Blick aus.
»Ich versteh ja, dass du dir Sorgen gemacht hast – das haben wir alle –, aber jetzt braucht er unsere Hilfe. Und die leisten wir ihm am besten, wenn wir ruhig und konzentriert bleiben.«
Sandra seufzte und schlang die Arme fest um ihre Taille. »Da ist mir klar«, sagte sie nüchtern. »Ich bin ja nicht blöd. Aber er hätte was Nettes sagen können. Ich bin sehr sensibel und zeige nun mal unwillkürlich, was ich fühle. Wir können nicht alle so eiskalt und gefasst sein wie eure Mutter.«
»Meine Mutter hat gerade große Angst«, sagte Rebecca aufgebracht. »Sie hat einfach nur mehr Selbstbeherrschung und Würde und will kein Drama daraus machen. Dad ist noch immer da draußen, Danny wird vermisst, und bis vor wenigen Minuten wussten wir nicht, ob Terry das Feuer am Blackman’s Creek überwindet. Reiß dich zusammen, Sandra, und benimm dich wie eine Erwachsene und nicht wie eine verwöhnte, bedürftige Göre!«
Rebecca wandte sich ab und ging ins Krankenhaus. Aus Angst um Danny und in ihrer Wut über Sandras Dummheit hatte sie übers Ziel hinausgeschossen – aber es war höchste Zeit, mit der Leisetreterei aufzuhören. Entweder passte Sandra sich an, oder sie stieg aus. Wie auch immer, in diesem Augenblick war es Rebecca gleichgültig.
Sandra stieg langsam die Treppe zur Veranda hinauf und sank in einen Korbsessel. Sie hatte das Gefühl, sie wäre verprügelt worden. Sie starrte hinaus auf die Straße. In jedem Fenster brannte ein Licht, um die Dunkelheit zu vertreiben. Menschen hasteten hin und her, um die Männer zu versorgen, die noch immer herbeiströmten, weil sie helfen wollten, das Feuer zu bekämpfen.
Jung und Alt, sie alle schienen eine Aufgabe zu haben. Sie hatten ihren Platz in dieser engen, gleichwohl weit verstreuten Gemeinschaft, und jeder wusste, welche Rolle er zu spielen hatte. Terence gehörte hierher – das hatte sie inzwischen begriffen. Aber wenn er und sie auch nur eine Chance haben wollten zu retten, was sie einmal verbunden hatte, wo könnte sie selbst sich dann einbringen – und wie?
Sandra fühlte sich verloren und sehr einsam. Sie war in einem Waisenhaus in der Stadt aufgewachsen, und Terence war alles, was sie hatte. Sie wollte ihn nicht verlieren. Doch das Leben in diesem kleinen Ort war ihr fremd, die Menschen waren geradeheraus und ebenso widerständig wie die Umgebung. Ob sie jemals lernen könnte, sie zu verstehen, um ein Teil von Morgan’s Reach zu werden wie Terence und seine Familie?
Rebeccas scharfe Worte kamen ihr wieder in den Sinn. Es war nicht die erste Zurechtweisung an diesem Tag gewesen. Hielten Terry und seine Familie sie wirklich für eine anspruchsvolle, kindische Person, die ständig Aufmerksamkeit verlangte und der man nicht trauen konnte, weil sie sich beim ersten Anzeichen eines Problems dem Alkohol zuwandte?
Trotz der Hitze fröstelte Sandra plötzlich. Offensichtlich war es so. Und diese Erkenntnis war schockierend.
»Meine Fruchtblase ist geplatzt«, stöhnte Millicent. »Du musst anhalten, Hugh.«
Er blinkte kurz mit den Scheinwerfern auf, um Delilah ein Zeichen zu geben, und hielt an. Als diese sich zu ihm umdrehte, stieg er aus dem Wagen. »Millicent kommt nieder«, erklärte er ruhig. »Wir werden Maeve und den Rest auf die anderen Fahrzeuge verteilen, und ich bleibe hier.«
»Nicht gut, Boss«, sagte Delilah. »Rauch kommen schnell. Man sehen Pfad kaum.«
»Es geht kein Wind, und bei dem starken Verkehr wird man dem Pfad im Scheinwerferlicht gut folgen können«, sagte er entschieden.
Schnell legte er den anderen seinen Plan dar, und nach vielem Hin und Her gelang es ihm, alle anderen Insassen in den übrigen Fahrzeugen unterzubringen. Sobald das erledigt war, holte er den Arztkoffer hinten aus dem Wagen und kümmerte sich um Millicent.
Delilah führte den langen Konvoi fort. Bald war er außer Sichtweite, verschluckt von der rauchgeschwängerten Dunkelheit, und als das Dröhnen der Motoren schließlich verstummt war, legte sich Stille über sie.
Millicent war zwar erst Mitte zwanzig, aber erfahren, was Geburten betraf, denn das war ihr fünftes Kind. Die Wehen waren kurz, und sie überstand sie klaglos. Stoisch lag die junge Frau auf der Vorderbank des Wagens und presste das Baby hervor. Es war gesund und
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