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Das Land der lebenden Toten

Das Land der lebenden Toten

Titel: Das Land der lebenden Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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vergrößernd, eigensüchtig, selbstzufrieden, sie ist ihre eigene Mutter, ihr eigener Vater, ihre eigene Schwester, ihr eigener Gemahl, ihr eigner Sohn, Mutter, Vater, der Ursprung aller Dinge.«
    Gilgamesch blinzelte, zog die Brauen zusammen und sah ihn starr an.
    »Was du da sagst, ist schwer zu verstehen, Simon.«
    »Ich finde es recht klar.«
    »Daran zweifle ich nicht«, sagte Gilgamesch. »Aber du bist ein Weiser und ein Zauberer. Du steckst voll solch seltsamen Weisheiten und Rätselworten. Ich aber bin nur ein einfacher Krieger.«
    »Und ein König.«
    »Ja, und ein König.«
    »Ein sehr großzügiger König.«
    Gilgamesch winkte, daß Simons Glas erneut gefüllt werde. Ungeduld stieg in ihm auf.
    »Genug von dem Getänzle, Simon. Was möchtest du von mir erbitten?«
    »Ich erinnere dich daran, daß wir als Partner hierher gekommen sind. Du, um dein Uruk und deinen Enkidu wiederzufinden, und ich…«
    »… um die Schätze Uruks zu plündern, ja.«
    »Ja.«
    Gilgamesch lächelte. »Aber es gibt hier keine Edelsteine, Simon.«
    »Wie willst du das wissen?«
    »Es sind in den Wänden deines Palastes in Brasil auf einer Elle mehr Edelsteine angebracht, als ich in ganz Uruk gesehen habe.«
    »Ah. Aber da irrst du dich.«
    »Irre ich mich? Dann klär mich auf.«
    Simon kam näher und sagte mit gedämpfter Stimme: »Hier gibt es Schätze im Überfluß. Ich habe meine Methoden, Informationen zu bekommen. Ich habe nicht mein ganzes Zauberhandwerk vergessen, Gilgamesch. Rufe deine Hofbeamten zusammen und befrage sie, was sie von Dumuzis Schatz wissen, und du wirst höchst erstaunt sein.«
    »Ich gewöhne mich allmählich an große Überraschungen«, sagte Gilgamesch.
    »Nun, du wirst eine weitere erleben. Es gibt hier Schätze, genau wie es die Erzählungen behaupten.« Seine Gesichtsfarbe wurde dunkler. Die Lippen und Kiefer mahlten lüstern wie die eines hungrigen Vielfraßes. »Wir hatten eine Abmachung, Gilgamesch! Wir kamen als Partner hierher. Ich erinnere dich daran, Gilgamesch – ich erinnere dich daran, daß…«
    Der Sumerer hob die Hand und nickte. Doch Simon gab sich damit nicht zufrieden.
    »Ich will meinen Anteil! Ohne mich hättest du nie auch nur eine Ahnung von diesem Ort hier gehabt! Ich mahne dich, Gilgamesch – ich flehe dich an, verweigere mir nicht, was ich suche. Ich bitte dich sehr.«
    »Du brauchst keine Befürchtungen zu haben, Simon«, sagte Gilgamesch ruhig. »Ich schlage dir nichts ab, soweit es im Rahmen meiner Möglichkeiten liegt, es dir zu gewähren. Aber erst laß mich mal diesen Schatz finden, den es, wie du behauptest, hier gibt. Bisher habe ich nur deine Behauptung, daß er existiert, deshalb kann auch ich dir heute nur Worte geben. Aber wenn ich die Schätze habe, ach, Simon, dann sollst du deinen vollen Anteil davon haben. Das schwöre ich dir hiermit.«
    »Ehrlich?«
    »Bei der Seele meiner Mutter schwöre ich es.«
    »Sehr gut, Gilgamesch. Aber bald, ja? Bald.«
    »Ja. Bald.«
    Dann ging Simon, scheinbar beruhigt, nach einem weiteren Schluck Wein und einem eindringlichen fragenden Blick, den er Gilgamesch zuwarf. Dieser schaute ihm nach, verwundert darüber, daß Simon von einer so tiefen Gier beherrscht war. Und wonach? Nach lächerlichen Glitzersteinen? Das erschien Gilgamesch als noch sinnloser als Gier nach Macht, von der so viele Männer und nicht wenige Frauen in wüste und fruchtlose Mühen getrieben worden waren. Da war dieser Simon, ein gescheiter Mensch, sogar ein Philosoph, und der gierte und geiferte mit kindischer Sucht nach hübschen Klunkern, was so abstoßend wirkte bei einer Person, die so weit über das Kindesalter hinaus war. So vor ihm herumzuhängen, Andeutungen zu machen, sich zu winden und am Ende einfach um die Kinkerlitzchen zu betteln, nach denen er gierte.
    Schön, sollte es hier für Simon Edelsteine geben, so sollte er sie bekommen. Gilgamesch hatte keine Verwendung für so etwas. Er ließ den Oberaufseher der Königlichen Truhen rufen, einen eunuchenhaft feisten sumerischen Glatzkopf namens Akurgal, und sagte: »Gehört die Pflege des Reichsschatzes zu deinem Aufgabenbereich?«
    »Dem ist nicht so, Majestät.«
    »Gehört der Reichsschatz nicht zur Königlichen Truhe?«
    »Meiner Fürsorge sind die Kleider und persönlichen Gegenstände der Majestät, Euer Majestät…«
    »Aber es gibt hier doch einen Reichsschatz? Juwelen und dergleichen?«
    »So ist es, Majestät.«
    »Wer besorgt den?«
    Akurgal überdachte das. »Der Hüter des

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