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Das Land der lebenden Toten

Das Land der lebenden Toten

Titel: Das Land der lebenden Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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eine ganze Weile.
    Dann sagte er: »Dann beantworte mir doch diese Frage, Gilgamesch: Wenn dieses Uruk nicht wirklich existiert, weshalb hast du dann deine Bereitschaft erklärt, dich mit Simon zusammenzutun, um diesen nicht-existierenden Ort mit einer Expedition zu suchen?«
    »Weil…«, sagte Gilgamesch ganz zögerlich, »mir der Gedanke kam, daß ich mich möglicherweise irren könnte, daß es vielleicht doch einen Ort namens Uruk gibt und mir das nur aus der Erinnerung entschlüpft ist.«
    Herodes Augen weiteten sich vor Erstaunen. »Was? Es ist keine zwei Augenblicke her, daß du mir genau das Gegenteil sagtest!«
    »Hab’ ich das?« sagte Gilgamesch. »Schön, dann sei’s so.«
    »Du hast eine sehr kuriose Art zu scherzen, lieber Freund.«
    Gilgamesch lächelte. »Herodes, aus ehrlichstem Herzen bin ich davon überzeugt, daß dieses Uruk, das sich Simon da erträumt, ein bloßes Hirngespinst ist, ein Mythos. Aber schließlich sind wir hier in der Nachwelt. Hier ist nichts, wie wir es uns erwarten. Da war dein Simon und sagte mir, er hat wundersame Geschichten über Uruk gehört. Mir kam das recht verrückt vor, aber was, wenn ich mich geirrt haben sollte? Ich muß doch zumindest die Möglichkeit einräumen, daß ich mich geirrt haben könnte. Wie du sagst, die Nachwelt ist so weitläufig und jenseits des menschlichen Begriffsvermögens groß. Was weiß denn ich, vielleicht gibt es ja ein Uruk irgendwo weit hinten an diesem unbegreiflichen Ort, und durch einen üblen Zufall habe ich nichts davon erfahren. Und nun bietet mir der mächtige Herrscher Simon die Chance an, danach zu suchen. Weshalb sollte ich das ablehnen? Was kann ich dabei schon verlieren?«
    »Die einzige Information, die Simon über Uruk hat, ist absoluter Unsinn. Er setzt darauf, daß du ihm die Leerstellen auf seiner Karte ausfüllst.«
    »Dessen war ich mir nicht bewußt.«
    »Er gedenkt dich zu benutzen. Er will sich von dir nach Uruk führen lassen, falls es einen solchen Ort gibt, und er will sich von dir dabei helfen lassen, diese ganzen Schatztruhen voller kostbarer Steine in die Finger zu bekommen, von denen Hanno schwafelte. Und als Gegenleistung will er dich als König von Uruk einsetzen.«
    »Du weißt genau, daß ich nicht den Wunsch hege, König über irgendeine Stadt zu sein. Ganz besonders nicht über eine, die gar nicht existiert.«
    »Aber das weiß Simon nicht. Er glaubt, du wirst gierig nach dieser Chance greifen.«
    »Ich sagte dir bereits, ich will nur Enkidu finden.«
    »Deinen verlorenen Freund?«
    »Meinen Freund. Meinen Jagdgefährten. Meinen wahren Bruder, der mir näher ist als ein leiblicher Bruder.«
    »Und wo könnte er sein?«
    »Er ist verschwunden. Auf rätselhafte Weise. Er hat sich in Luft aufgelöst. Oder er verschwand in den Eingeweiden der Erde. Man muß ihn verschleppt haben.«
    »Wer?«
    »Ich weiß es nicht. Die Räuber, die van der Heydens Wagenzug überfielen, vermute ich. Aber ich werde ihn suchen.«
    »Selbst wenn die Chance ihn zu finden ungefähr so gering ist wie die, Uruk zu entdecken?«
    »Immerhin weiß ich, daß Enkidu existiert.«
    »Aber er könnte doch überall sein. Millionen Meilen weit weg. Zehn Millionen. Er könnte tot sein. Wer kann es wissen. Du suchst vielleicht tausend Jahre nach ihm und findest ihn doch nie wieder.«
    Achselzuckend sagte Gilgamesch: »Ich habe ihn bereits früher verloren und doch wiedergefunden. Ich werde ihn auch diesmal finden, selbst wenn es mich tausend Jahre kosten sollte, Herodes, soll es mir auch recht sein. Was bedeuten mir schon tausend Jahre? Was zehntausend?«
    »Und inzwischen?«
    »Inzwischen, was?«
    »Uruk«, sagte Herodes. »Was gedenkst du in der Sache zu tun, jetzt wo du weißt, daß Simon dich austricksen will? Ziehst du trotzdem mit ihm auf diese verrückte Expedition? Wobei er hofft, du kennst wirklich den Weg oder kannst ihn wenigstens irgendwie finden – und du bist absolut sicher, daß es den Ort nicht gibt, betest aber, daß du ihn trotzdem irgendwie finden wirst?«
    Das Wespengesumm von Herodes begann Gilgamesch wieder lästig zu werden. Der kleine Kerl bohrte und nagte und drängte und manövrierte unablässig herum. Was verfolgte er damit?
    Gilgamesch trat zu der Fensterbank und baute sich drohend über ihm auf. »Weshalb machst du dir derart große Sorgen wegen dieser Uruk-Expedition, Herodes?«
    »Weil das für mich nur einen Berg von Unannehmlichkeiten bedeutet.«
    »Unannehmlichkeiten? Für dich? Wieso?«
    »Wenn Simon mit dir

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