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Das Land der lebenden Toten

Das Land der lebenden Toten

Titel: Das Land der lebenden Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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und schleppten einen hölzernen Bottich heran, der ein dunkles schmieriges Fett enthielt. Calandola tunkte die Pranken hinein, hob einen großen Klumpen heraus und klatschte ihn Gilgamesch auf die nackte Brust; dann verrieb er die Salbe mit erstaunlich sanften Fingern über die Brust und den Rücken, die Schultern und den Nacken und das Rückgrat, bis der Sumerer ebenso schimmerte wie alle diese Jaqqa. Die Salbe verströmte den selben scharfen säuerlichen Geruch wie Clandola selbst. Gilgamesch fühlte, wie sie tief in seine Haut eindrang.
    Als die Salbung beendet war, schloß Calandola Gilgamesch kurz und heftig in die Arme. Gilgamesch fühlte die bullenhafte Kraft dieses Berges von einem Mann.
    Dann gab der Schwarze ihn frei und trat von ihm zurück. »Wenn du zurückkehrst, König Gilgamesch, werden wir vielleicht die Antworten auf deine Fragen suchen können.«
    Calandola ließ seine Augen funkeln, grinste ihm zahnlückig zu, wandte sich in eindeutig verabschiedender Weise um und stapfte in das Schattendunkel, und sein Hofstaat scharte sich hinter ihm, so daß Gilgamesch ihn nicht länger sehen konnte.
    Lange stand Gilgamesch da und starrte vor sich hin.
    Er spürte den schweren süßen Wein in seinem Leib, und er fühlte die Glätte des Salböls, mit dem Calandola ihn bestrichen hatte. Dann blickte er umher, was mit seinen Gefährten geschehen sein mochte. Der Behaarte Mann lehnte an der Wand, die Arme über der zottigen Brust verschlungen, die schmalen Lippen in heftiger Mißbilligung zusammengepreßt. Und Herodes, der lag als verschwitztes Häuflein auf den Knien und stierte mit hängenden Armen irgendwohin ins Leere. Er wirkte benommen. Es war fast der gleiche Ausdruck wie neulich, als er aus dem Fenster in Gilgameschs Suite im Palast auf die wütenden Flammenkaskaden bei dem Ausbruch des Vesuv gestarrt hatte.
    Gilgamesch stupste ihn mit der großen Zehe an.
    »Komm«, sagte er. »Steh auf! Ich glaube, wir sollen uns jetzt entfernen.«
    Herodes nickte dumpf. Seine Augen waren weit aufgerissen. »Er hat dir den Wein gereicht!« murmelte er. »Er hat dich mit dem Öl gesalbt! Wie außergewöhnlich! Wie erstaunlich! Bei deiner ersten Audienz – der Wein – das Öl!«
    »Ist das so ungewöhnlich?« fragte Gilgamesch.
    Herodes bebte vor Erregung. »Die Macht dieses Mannes! Seine schrecklich beeindruckende Größe! Ich kann es einfach nicht fassen, daß er dir gleich beim erstenmal den Wein gereicht hat. Und die Salbung! Es war, wie wenn er dich angeschaut und auf den ersten Blick richtig erkannt und eingeschätzt hätte, wie wenn er dann zu sich sagte: Ja, der Mann da und ich, wir sind vom selben Geist. Himmel, wie ich dich beneide! So einfach gleich von Calandola in die Arme geschlossen zu werden…« Er wandte sich zu Gilgamesch um, und dieser erblickte in dem Gesicht von Herodes einen Ausdruck krankhaften Hingerissenseins.
    Auf seltsame Weise war auch er selbst von Calandola stark beeindruckt. Aber doch nicht so! Nicht auf diese Art!
    Aus einem Schattenwinkel schnaubte der Haarmensch verächtlich: »Und das nach einer halben Million Jahren der Evolution! Ihr legt euch zu Wilden ins Bett, und es dauert nicht lang, dann seid ihr selber Wilde.«
    »Und was bist denn du?« fauchte Herodes, der in einem plötzlichen Anfall von Wut herumfuhr. »Du Tier! Du Affe! Du wandelnder Bettvorleger! Du halbmenschliches Ding! Du wickelst dir eine Toga um und glaubst, damit bist du ein Römer. Aber ich weiß, was du in Wahrheit bist!«
    »Kommt!« sagte Gilgamesch.
    »Lange bevor es Adam gab«, fauchte Herodes weiter auf den Behaarten los, »seid ihr nackend durch die Wälder gerannt, habt in Löchern in der Erde gehaust und habt weder Götter gekannt noch eine Zivilisation, noch hattet ihr eine Sprache, und ihr habt Würmer gefressen und Wurzeln und Blätter. Rede du mir von Wilden! Wir wissen, was ihr wart! Wilde ist ein zu höfliches Wort. Laß mich dir sagen, du Ding, du Irgendwas: Ihr Leute seid nur auf Grund einer technischen Formalität hier. Die Nachwelt ist den Menschen vorbehalten. Und wenn wir uns ein paar von euch grunzenden Affenmenschen hier noch leisten, schön, das heißt nichts weiter, als daß da jemand die Vorschriften ein bißchen großzügig auslegt. Vielleicht gaben sich gewisse blauäugige Idealisten unter den Später Toten blödsinnigerweise eingeredet, ihr wäret unsere Urvorfahren, aber wir beide wissen, daß das nicht möglich sein kann. Und wenn ihr dann noch anfangt, euch aufzuspielen und so zu

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