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Das Land des letzten Orakels

Titel: Das Land des letzten Orakels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Whitley
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stöhnte auf. »L… Lily?«, fragte er, seine schlaffe Zunge dazu zwingend, dieses Wort zu formen.
    »Mark! Was …«
    Weiter kam sie nicht, bevor Wolfram sie schlug. Selbst von dort, wo er saß, spürte Mark, welche Wucht in dem Schlag lag, es war eine klatschende Ohrfeige. Wolfram ging mit seinem steifen Bein zu Mark hinüber und hielt ihm die Laterne so dicht vors Gesicht, dass sie ihm die Augenbraue versengte.
    »Du wirst nicht reden«, knurrte er. »Wenn du es doch tust, wird Lily an deiner Stelle bestraft werden. Sei froh, dass ich dich nicht schlage. Ich könnte die Apparatur dabei beschädigen.«
    Apparatur? , dachte Mark. Tatsächlich erfüllte ein sonderbares Geräusch die Luft, ein summendes Zischen. Und er hatte das Gefühl, als hinge etwas Großes über seinem Kopf.
    Hinter ihm ging eine Tür auf. Auf dem Steinfußboden waren Schritte zu vernehmen. Und da war noch etwas – das energische Klacken eines Gehstocks.
    »Nun, Vater Wolfram, sind die Richter bei Bewusstsein?«
    Mark kannte diese Stimme. Immer vernünftig, gelassen und trügerisch.
    Wolfram nickte. Erneut waren Schritte zu hören, und nun wurde der Neuankömmling sichtbar. Er lehnte seinen Gehstock mit dem silbernen Knauf an die Wand und lächelte freundlich.
    »Mr Mark, Miss Lilith, willkommen im Direktorium«, begrüßte sie Snutworth.
    Was Mark am stärksten auffiel, war die Tatsache, wie wenig er sich verändert hatte. Sicher, sein Mantel war nun mit Goldborten besetzt, aber immer noch in dem gleichen formellen Schwarz gehalten. Snutworth trug die gleichen Handschuhe, die gleiche einfache Krawatte, trug immer noch den gleichen höflich-interessierten Ausdruck im Gesicht. Er hätte sich mit Pracht umgeben können, doch das hatte er nicht. In gewisser Weise war dies noch beunruhigender. Dieser Mann sah nicht aus wie jemand, der sein Ziel schon erreicht hatte.
    »Warum haben Sie uns hierherbringen lassen?«, hörte Mark Lily fragen, als diese wieder sprechen konnte. »Was haben Sie mit Owain gemacht?« Wolfram starrte sie zornig an, doch Snutworth – Mark konnte ihn sich immer noch nicht als Direktor vorstellen – hob die Hand.
    »Nein, Vater Wolfram, ich denke, die Gegenspielerin hat das Recht auf eine Antwort. Außerdem«, fügte er leichthin hinzu, »werden wir kaum Fortschritte machen, wenn unsere Gäste stumm bleiben, nicht wahr?«
    Wolfram verneigte sich und verschwand aus Marks Blickfeld, indem er hinter ihn trat.
    »Nun also, um die einfachere Frage zuerst zu beantworten«, fuhr Snutworth fort. »Mr Owain ist inhaftiert. Er befindet sich an einem anderen Ort im Direktorium, gemeinsam mit Schwester Elespeth. Ich kann nicht behaupten, dass sie es besonders bequem hätten, aber sie leben.«
    »Und wer war das in dem Schiff?«, wollte Lily wissen.
    Dieses Mal verhärtete sich Snutworths Miene, wenn auch nur für eine Sekunde. »Das war selbstverständlich Mr Owain. Ich dachte, Sie wären berühmt für Ihre rasche Auffassungsgabe …«
    »Das war nicht Owain«, unterbrach Lily ihn grimmig. »Er sah zwar aus wie er, aber es war nicht der Gleiche. Als er mich anschaute … es war so, als wäre er mir noch nie begegnet …«
    Lily verstummte. Snutworths Miene war schwer zu deuten. Lag in seinen klaren grünen Augen ein Funke des Triumphs?
    »Trotzdem, er war es. Fast. Wie sonst, glauben Sie, hätte Inspektorin Poleyn wissen können, wo Sie zu finden waren? Ich frage mich wirklich, warum Sie es für eine gute Idee hielten, die Stollen zu benutzen, und warum es Ihnen nicht in den Sinn kam, dass, wenn einer durch sie zu den Docks gelangen kann, dies auch eine ganze Eintreiberstreife vermag. Barrikaden sind ärgerlich, Miss Lilith, aber nicht wirkliche Hindernisse.«
    »Warum haben Sie dann nicht …?«, begann Lily.
    »Nicht«, sagte Mark plötzlich, von sich selbst überrascht. »Frag nicht weiter. Er genießt es.«
    Er hatte begriffen, was er in Snutworths Augen gesehen hatte. Ganz gleich, wie sehr sich dieser bemühte, es zu verbergen, Snutworth genoss es zu sehen, wie sein Plan aufging. Mark erinnerte sich an diesen Blick, damals, als Snutworth, sein Diener, einen Handel erfolgreich abgeschlossen und damit Marks Vermögen und Stellung gestärkt hatte. Natürlich hatte er damals geglaubt, Snutworth habe sich für ihn gefreut, und nicht damit gerechnet, dass dieser vorhatte, alles an sich zu reißen.
    Snutworth nickte verständig. »Ich muss gestehen, dass ich eine kleine Genugtuung empfinde«, sagte er. »Idealerweise hätte ich noch ein

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