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Das Land des letzten Orakels

Titel: Das Land des letzten Orakels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Whitley
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gewesen.
    Für einen kurzen Moment wünschte sich Mark, der Doktor hätte sich ihnen anschließen können. Doch es wäre verdächtig gewesen, wenn der Tempel verwaist wäre, und Lily hätte das auch nicht gewollt. Und Lily war ja der Anlass für diese Reise; Lily war der Grund dafür, dass die drei nun durch diese Tür traten, ohne eine Ahnung zu haben, wohin ihr Weg sie führte.
    Das Innere des Hauses war nur schwach erleuchtet, dennoch konnte Mark eine Art heruntergekommene Eleganz erkennen. Die Wände waren mit dunklem Eichenholz getäfelt, und das Mobiliar wies eine respektable Gediegenheit auf. Am anderen Ende des Eingangsbereichs stand eine der Türen auf, und der flackernde Lichtschein einer Kerze war zu sehen.
    »Ah, wie pünktlich«, ließ sich eine alte, kratzige Stimme vernehmen.
    Verso tauchte im Kerzenschein auf. Seiner gebeugten Haltung zum Trotz gelang es dem Diener nach wie vor, sich mit eleganter Ehrerbietung zu bewegen. Mark bemerkte, dass er zwar robuste, wetterfeste Kleidung anhatte, jedoch nach wie vor seine makellos weißen Handschuhe trug.
    »Nun, Mr Verso?«, sagte Laud steif. »Wir sind hier. Wir sind bereit. Wie weit ist es zu diesem geheimen Eingang?«
    Verso lächelte und rieb sich die wässrigen Augen. »Nicht weit, Sir. Unter dem Speisezimmer, um genau zu sein.«
    Mark bemühte sich, ein Lachen zu unterdrücken. Verso wandte sich ihm zu und sah ihn mit einem Anflug der Belustigung an.
    »Mir war nicht bewusst, dass es sich beim Speisezimmer um einen sonderlich lustigen Platz handelt«, sagte er.
    Mark schüttelte den Kopf. »Das ist es auch nicht; es ist bloß … wirklich?«, fragte Mark und grinste kleinlaut. »Ein geheimer Eingang zu einem anderen Land unter einem Speisezimmer? Ist das nicht ein wenig banal? Ich hatte mir ein mit Spinnweben verhängtes Mausoleum vorgestellt.« Er seufzte. »Das war wohl dumm.«
    Verso wandte sich ab. Einen winzigen Moment lag etwas sonderbar Wehmütiges im Blick des alten Mannes. »Nicht gänzlich, Sir«, sagte er. »Hier entlang, bitte.«
    Verso führte sie durch die Korridore, eine verwirrende Zahl von Stufen hinauf und hinab. Das Haus war größer, als es von außen gewirkt hatte, und offenkundig seit sehr langer Zeit nicht mehr bewohnt.
    »Mark hat nicht ganz unrecht«, sagte Benedicta, während sie durch das Speisezimmer gingen. Der Tisch war für sechs Personen gedeckt, jedoch war alles von einer dicken Staubschicht überzogen. »Warum befindet sich der Weg nach Naru in einem so normalen Haus?«
    »Die Frage, Miss Benedicta, sollte vielleicht anders formuliert werden«, sagte er, während er eine Öllampe von einer Anrichte nahm. »Warum sollte jemand ein ganz gewöhnliches Haus über dem Weg nach Naru bauen?« Er entzündete die Flamme in seiner Lampe. »Diese Stufen hinab, bitte.«
    Die Stufen führten eine ganze Weile nach unten; zunächst waren sie aus Edelholz, dann aus Stein. An die Korridore grenzten die Bedienstetenquartiere an, und die Holztüren waren alt und verzogen.
    »Also schön«, sagte Mark, von diesem mysteriösen alten Mann einigermaßen frustriert. »Warum wurde es gebaut?«
    Verso lächelte. »Wie Sie scharfsinnig bemerkt haben, Sir: weil es ein so unscheinbarer Ort war.« Verso zog einen Schlüssel aus seinem Bund am Gürtel, um damit eine der älter aussehenden Türen aufzuschließen. »Der Mann, der hier lebte, wurde der Letzte genannt. Für manche war er ein Irrer, aber diese Bezeichnung verwenden wir oft für jene, die mit verstörender Klarheit sehen. Letzten Endes beharrte seine Familie darauf, dass er sich in dieses Haus ›zurückzog‹.« Mit sattem Klicken drehte sich der Schlüssel im Schloss, und Verso stieß die Tür auf. »Das war natürlich genau das, was er gewollt hatte. Er hatte das Gefühl, dieses Haus müsse bewacht werden. Die Tatsache, dass er im Grunde genommen hier ein Gefangener war, bereitete ihm keine Sorgen. Ich glaube, am Ende war er tatsächlich ein wenig aus dem Gleichgewicht geraten.«
    »Sie wissen offenbar eine Menge über ihn«, sagte Laud misstrauisch, während er Verso durch die Tür in einen weiteren holzvertäfelten Korridor folgte.
    Verso schaute sich um. »Selbstverständlich, Sir«, erwiderte er. »Ich war Bediensteter bei ihm, in meiner Jugend, wenn auch nur für kurze Zeit. Bevor er den Weg allen Fleisches ging, vertraute er mir einige äußerst wichtige Geheimnisse an.« Plötzlich drehte Verso sich um und langte nach einer der Holzverkleidungen an der Wand. Er drückte an ein

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