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Das Land des letzten Orakels

Titel: Das Land des letzten Orakels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Whitley
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Probleme voranging, verstummte das Rasseln über ihnen nicht. Das Licht von oben war längst erloschen, und nach ein paar Minuten, als klar wurde, dass es sich um eine längere Fahrt handeln würde, hatten sie ihre Laternen gelöscht, um ihr Öl nicht zu vergeuden. Mark war wohl müder gewesen, als er gedacht hatte.
    Er blickte sich zu den anderen um. Laud und Ben lagen zusammengerollt auf dem Boden, doch von dort, wo er saß, konnte er ihre Gesichter nicht sehen. Verso hingegen saß nach wie vor aufrecht gegen das Geländer der Plattform gelehnt. Er erweckte beinahe den Eindruck, als hätte er Vergnügen an der Fahrt. Gelegentlich holte er einen Lederbeutel aus seiner Tasche hervor, steckte sich ein kleines Lutschbonbon in den Mund und genoss den Geschmack.
    »Können Sie mir auch eines geben, Mr Verso?«, fragte Mark.
    Verso wandte sich ihm zu und schaute ihn an. Einen kleinen Moment wirkte er überrascht, geradezu schuldig. »Verzeihen Sie, Sir, aber nein«, sagte er, seine Fassung rasch wiedergewinnend. »Sie müssen einem alten Mann seine Naschereien nachsehen. Ich habe sie mir lange aufgehoben.«
    Mark beobachtete hungrig, wie Verso erneut ein Bonbon aus dem Beutel holte. Es war besonders verlockend – tiefblau und glänzend, im matten Licht schimmernd.
    Ein sonderbarer Gedanke beschlich ihn. Er vergewisserte sich, dass sämtliche Laternen gelöscht waren. Das oberste Ende des Schachts war weit entfernt, und die Kerze dort oben war zweifellos heruntergebrannt. Wie also war es möglich, dass er überhaupt etwas sah?
    Mark hielt eine Hand hoch. Schatten gab es keine; es war, als käme das Licht – matt und bläulich – von überall.
    »Ach ja, das Licht«, sagte Verso freundlich. »Darf ich Ihre Aufmerksamkeit auf die Wände richten, Sir?«
    Mark schaute hin. Zunächst sah er nur Stein, rohen, ungleichmäßigen Stein, nichts Ungewöhnliches. Dann aber bemerkte er die winzigen Kristalladern, die sich durch den Fels zogen und leuchteten. Schwach nur, aber doch hell genug, um sie alle in tiefes Zwielicht zu tauchen.
    Mark wandte sich wieder Verso zu. Er begriff nicht, warum er so unruhig war. Das Licht stellte keine Bedrohung dar. Doch vielleicht lag ja gerade darin das Problem. Er hatte Überraschungen und Gefahren erwartet. Dieses Licht hingegen war nur fremdartig, anders als alles, was er bisher gesehen hatte, außer vielleicht in den Tiefen des Alptraums.
    Mark wollte gerade etwas sagen, als die Plattform ohne Vorwarnung gegen etwas stieß und heftig zur Seite schwankte. Alle vier purzelten übereinander.
    »Sieht so aus, als hätten wir den Boden erreicht«, sagte Ben und richtete sich auf. Dann blickte sie sich alarmiert um. »Mr Verso, ist alles in Ordnung bei Ihnen?«
    Sie half dem alten Mann auf die Beine. Er schwankte und hustete mehrmals, ein starker Kontrast zu der Gelassenheit, die er noch kurz zuvor ausgestrahlt hatte. Doch er gewann rasch die Fassung wieder und tätschelte ihre Hand.
    »Danke, meine Liebe. Es geht schon.« Er schaute auf. »Wie es scheint, ist unsere Reise aber noch nicht beendet.«
    Mark folgte Versos Blick. An einer Seite des Schachts befand sich ein in den Fels gehauener Torbogen. Darunter stand ein Gefährt aus Holz, zur Hälfte gefüllt mit weiteren Zahnrädern. Es ruhte auf einem Schienenstrang, der hinter dem Torbogen in einem von matt glänzenden Kristallbrocken sporadisch beleuchteten Felskorridor verschwand.
    »Wenigstens brauchen wir das Lampenöl nicht zu vergeuden«, murmelte Laud, während er in den Stollen hineinstarrte. Dann sah er den alten Mann an. »Da wir nun unten sind, Verso, haben Sie uns etwas zu sagen? Vielleicht ein paar warnende Worte? Oder ein Hinweis, was wir zu tun haben?«
    Verso lehnte sich schwerfällig gegen die Felswand und quälte sich ein Lächeln ab. »Dieser Karren wurde offenbar hier zurückgelassen, um zu gewährleisten, dass man weiterkommt. Würden Sie es mir gestatten, ihn zu inspizieren? Es sei denn, Sie würden es bevorzugen, zu Fuß zu gehen?«
    Verso begegnete Lauds Blick, und erneut glaubte Mark, in diesem liebenswert-höflichen Blick etwas Stahlhartes aufblitzen zu sehen.
    Laud schloss die Augen und biss die Zähne zusammen. »Schön«, sagte er. »Machen Sie sich an die Arbeit.«
    Ein paar Stunden später stiegen die vier mit wackeligen Beinen aus dem Karren. Eine unangenehme Fahrt war es nicht gewesen; der Korridor war geradlinig verlaufen und der Karren erstaunlich sanft gefahren, doch die Geschwindigkeit hatte sie schon

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