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Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02

Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02

Titel: Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kendall
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Wächter war jung, aber er war ein Soldat. Er berührte den Kuchen nicht. Mit einem halb geöffneten Auge konnte ich sehen, wie seine Nase zuckte, und einmal ging seine Hand zu dem Blatt, aber er zog sie zurück. Wenn er sich vornahm, ihn am Ende seiner Schicht zu essen und dann einfach an seinem eigenen Feuer einschlief… Weshalb hatte A ly sse nur einen Kuchen geschickt? Hatte sie dieses Problem nicht voraussehen können?
    Der Wächter aß den Kuchen nicht. Als der nächste Soldat ihn ablöste, war er noch da; er lag verführerisch auf seinem Blatt und gab seinen starken, köstlichen Duft ab. Der Wilde legte Holz nach, ließ sich neben dem Feuer nieder, musterte uns drei unbewegliche Gefangene. Über uns leuchteten die Sterne stechend und kalt. Tom schnarchte. Der Wilde pfiff leise vor sich hin, wie ich es bei noch keinem von ihnen gehört hatte, eine liebliche und klagende kleine Melodie. Konnten alle Wilden melodiös singen? Der Wilde hörte auf zu pfeifen. Ein langer, ausgedehnter Moment verging, und dann aß er den Honigkuchen.
    Bald… bald… jetzt.
    Er schnarchte sogar noch lauter als Tom. Sicher würde es jemand hören? Keiner hörte es. Die einzigen anderen Wächter waren am Zelt der Prinzessin postiert, ein paar hundert Fuß entfernt in der Dunkelheit, und an den Außengrenzen des Lagers, noch weiter entfernt. Diener– Sklaven nun–, die man aus dem Palast mitgenommen hatte, hielt man nicht für so wertvoll, dass man sie bewachen musste. Die Hoffnung auf Rettung aus dem Königinnenreich war vorüber, und es gab keinen Ort, an den die Gefangenen hätten fliehen können.
    Langsam richtete ich mich auf und sah, dass der Wilde neben seinem Gewehr zusammengesunken war. In der Düsternis wirkte er lediglich wie ein mit Fell überzogener Stein. Nach ein paar Augenblicken schlüpfte Alysse ins Licht des Feuers, nahm mich bei der Hand und führte mich leise in die stillen, tiefen Schatten einer Ansammlung von Büschen zwischen den Feuern. Ihre Finger waren kalt in meinen.
    »Wer bist du?«, flüsterte ich. »Du bist mit Tom ins Bett gegangen, um an mich heranzukommen, oder? Kommst du von Mutter Chilton?«
    »Ja. Nein. So ist es nicht.« Ihre Stimme war feindselig, was mich anfangs überraschte und dann nicht mehr. Sie fuhr fort: »Man hat dir gesagt, dass du den Pfad der Seelen nicht mehr beschreiten darfst. Du hast versprochen, es nicht mehr zu tun, und du hast dieses Versprechen gebrochen genauso wie das, das du Fia gegeben hast.«
    Gab es irgendetwas, das diese vernetzten Frauen nicht wussten?
    Ich sagte aufgeregt: »Ein Hisaf, mein Vater«– wie merkwürdig diese Worte klangen, wenn man sie laut aussprach–, »hat gesagt, dass es für niemanden eine Gefahr darstellt, wenn ich den Pfad der Seelen betrete, solange ich nichts mitbringe!«
    »Die Hisafs haben ihre Ansichten über das Land der Toten, und wir haben unsere. Ihre sind falsch.«
    »Aber Hisafs können tatsächlich dorthin gehen, und ihr könnt es nicht!« Ich wurde von plötzlichem Zweifel erschüttert. »Oder doch?«
    »Nein. Unser Wissen kommt auf andere Weise. Wir…«
    »Wer seid ihr? Was seid ihr– du und Mutter Chilton und Fia?«
    »Wir sind jene, die danach streben, das Leben zu erhalten.«
    »Aber seid ihr Frauen alle Hexen oder…«
    »Wer wir sind, spielt für dich keine Rolle, und ich bin nicht hier, um mit dir über Begriffe zu streiten, Roger Kilbourne. Ich habe ein großes Wagnis auf mich genommen, um mit dir zu sprechen, und dieses Wagnis sollte dich von der großen Wichtigkeit dessen überzeugen, was ich zu sagen habe.«
    »Und das wäre?«
    Ihre kalte Hand schloss sich fester um meine, fest genug, um wehzutun. Sie war viel stärker, als sie aussah. Ihre Stimme nahm eine Intensität an, die von der dunklen Nacht noch verstärkt wurde.
    »Ich bin hier, um dir zwei Dinge zu sagen. Das Erste ist: Ganz gleich, was die Hisafs meinen, du darfst nicht den Pfad der Seelen betreten, nie wieder.«
    »Weshalb nicht?«
    »Genügt dir mein Wort dabei nicht?«
    »Nein. Mein Vater hat gesagt…«
    »Verdammt sei dein Vater! Er ist nun gefangen in Galtryf, das ist alles, was eure Hisafs bis jetzt geschafft haben!«
    »Woher hast du das erfahren? Wie? Meine Schwester hat mir gesagt…«
    »Deine Schwester ist der wahre Grund, weshalb du den Pfad der Seelen nicht betreten darfst. Ihr beide seid durch Blut miteinander verbunden. Sie ist eine große Gefahr für dich, und eine noch größere Gefahr für den Rest der Lebenden.«
    »Du erzählst mir

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