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Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02

Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02

Titel: Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kendall
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verstören. Wussten sie nicht, dass wir hier waren? Konnte ich wirklich so viel Glück haben?
    Doch es wirkte auf mich nicht wie Glück, dass wir hier waren. Es wirkte unheimlich wie noch nie zuvor; nicht einmal der wildeste Aufruhr der Landschaft, den ich hier schon erlebt hatte, war so bedrohlich gewesen. Ich war fast mein ganzes Leben lang hergekommen, wütend oder verzweifelt oder hoffnungsvoll oder auf der Flucht, aber ich war noch nie körperlich hergekommen, hatte stets mein körperliches Selbst im Land der Lebenden zurückgelassen. Und ich war nie in der Begleitung von anderen hergekommen, für die all das nicht nur unheimlich, sondern unvorstellbar war.
    »Also ist dieser… Mann wirklich tot«, sagte Tom, als wir zum Bergpass nach Osten unterwegs waren. Er wirkte hier viel näher als auf der anderen Seite. Ich hoffte, dass es stimmte. Der Tote, auf den Tom zeigte, war ein Jäger, der in zerlumpte Pelze gekleidet war, um dessen Knöchel weitere Pelze gewickelt waren, ein primitiver Speer an seiner Seite. Er musste im Winter gestorben sein. Stephanie und Jee gingen voraus, wo ich sie sehen konnte. Die Prinzessin hielt ihre Hand fest mit der von Jee verschränkt. Sie hatte ganz aufgehört zu sprechen, sagte nicht ein Wort, aber sie marschierte weiter.
    »Ja«, erklärte ich Tom, »er ist tot.«
    »Und er hat hier einfach herumgesessen, seit er gestorben ist.«
    »Ja.«
    »Und wenn wir an den Ort kommen, an dem Lady Margaret gestorben ist– das ist gleich hinter diesem Hügel, weißt du–, werden wir sie sehen, wie sie nur dasitzt.«
    Daran hatte ich nicht gedacht. Es würde besser sein, wenn Stephanie Lady Margaret nicht sah. »Wir werden den Hügel auf der anderen Seite umgehen, glaube ich.«
    »Na gut. Ja. Ganz, wie du sagst. Peter– Roger, meine ich–, mir gefällt das nicht.«
    Ich sagte sanft: »Sie sind tot, Tom. Sie können dir nichts tun.«
    »Ich habe keine Angst vor ihnen«, meinte er ernst. »Es ist nur… nun, weißt du, sie sind tot.«
    »Ja.«
    »Und wir nicht. Du wirst uns alle zurückbringen, nicht? Sobald wir das Königinnenreich erreichen?«
    »Natürlich mache ich das.«
    »Du bist dir vollkommen sicher, dass du das tun kannst?«
    »Ich bin sicher.« Bitte lass es so geschehen.
    »Na gut.« Er verfiel in ein verstörtes Schweigen. Aber als wir das nächste Mal an einem Toten vorbeikamen, wieder einem Jäger, aber diesmal aus einer sehr viel späteren Zeit, nahm Tom den Bogen, den der Tote umklammert hielt, und die zwei Pfeile, die in dem Köcher auf seinem Rücken verblieben waren. Tom starrte mich trotzig an, als er sie stahl, aber ich sagte nichts. Waffen konnten an diesem Ort niemandem etwas antun, außer uns vieren; ich hatte das vor Jahren herausbekommen, als die Armee der Blauen auf dieser Seite des Grabes wach gewesen war. Und ich konnte nicht zulassen, dass Tom die Waffen mit uns zurücknahm. Auch hierin hatte ich meine Lektion gut gelernt. Aber ich sagte im Augenblick nichts. Sollte er den Trost haben, den er daraus ziehen konnte, wenn er Pfeil und Bogen trug, während wir marschierten. Er war viel nervöser als Jee, der erstaunlich gut darin war, die Dinge einfach hinzunehmen. Sollte also Tom Jenkins jeglichen Trost haben, den er in seinen gestohlenen Waffen finden konnte.
    Ein weiterer Gedanken kam mir. Wenn ich, ein Hisaf, nun körperlich vom Land der Lebenden ins Land der Toten wechseln konnte, dann konnten sicher andere Hisafs das Gleiche tun. Wir alle, einschließlich meines Vaters. Wenn es stimmte, dass er an einem Ort namens Galtryf gefangen war, und wenn er zufällig diese neue Fähigkeit entdeckte, dann konnte ihn Galtryf nicht länger halten. Er könnte schließlich doch zu meiner Rettung herbeieilen. Aber mein ganzes Leben lang war mein Vater zu spät gekommen, um mir zu helfen. Dies war ein weiterer solcher Fall. Meine Verbitterung ihm gegenüber nahm nicht ab.
    Weitermarschieren, weitere Tote. Tom nahm einem toten Krieger der Wilden einen Schild ab, den er vorsichtig trug, als wäre er eine Schlange, die sich jeden Augenblick umdrehen und ihn beißen könnte. Aber er behielt den Schild trotzdem.

48
    Als Stephanie nicht mehr gehen konnte, trug Tom sie. Im Land der Toten gab es weder Tag noch Nacht, aber Lebende brauchten den Wechsel der Tageszeiten. Am »Abend« errichteten wir ein Lager auf einer kleinen Erhebung. Wieder bestand Tom auf einem Feuer. Wir kochten weiteres Fleisch der Ziege. Während die Kinder schliefen, musterte ich das Land im Osten. Der Pass war

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