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Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02

Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02

Titel: Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kendall
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Seelenrankenmoor in seinem Trachten danach, die Mauer zwischen den Lebenden und den Toten einzureißen, schon gekommen war.
    Also war ich sicher vor Tarek, aber Angst vor der Zukunft erfüllte mich. Es gab jedoch keine Zeit für Angst. Beinahe sofort begann ich zu zittern. Die Helligkeit hinter den Kiefernzweigen war Sonnenlicht auf einer leichten Schneeschicht. Als ich unter dem Baum hervorkroch, zog ich meinen Fellumhang enger um mich, blinzelte ein paarmal und versuchte mir auszudenken, was als Nächstes zu tun war. Ich konnte sofort den Pfad der Seelen betreten, um dem Winter zu entkommen, aber das würde nicht das Problem lösen, uns durchzufüttern.
    Das Laufen wärmte mich. Wenige Wilde lebten in diesen hohen Bergen, aber auf der anderen Seite waren wir vor etwa einer Meile an einer großen Gruppe von Toten vorbeigekommen. Sie hatten verschiedene Arten von grober Kleidung getragen, manche winterlich und manche sommerlich, was nahelegte, dass eine Bergbauernfamilie lange Zeit an diesem Ort gelebt hatte und gestorben war. Vielleicht lebten dort noch Nachkommen. Vielleicht konnte ich Nahrung aus einem Garten stehlen.
    Die Ernte war schon eine Weile vorüber. Das Bauernhaus stand dort, aber das kleine Feld und der verkrüppelte Obstgarten waren kahl. Allerdings graste eine Ziegenherde auf dem Hügel über dem Bauernhaus, die von zwei etwa neun- oder zehnjährigen Jungen bewacht wurde. Die Ziegen zerrten die dickstängligen Pflanzen heraus, die aus dem leichten Schnee hervorlugten. Ich verbarg mich am Rand der Wälder und beäugte die Jungen. Hatten sie Gewehre? Konnte ich dicht genug herankommen, um eine Ziege zu stehlen?
    Es erwies sich als überraschend einfach. Ich lief aus dem Wald heraus auf eine der Ziegen zu. Die Jungen riefen etwas. Vor Überraschung hoben sie ihre buschigen Augenbrauen, rissen die blauen Augen auf. Sie stürmten auf mich zu, mit gezogenen Messern und verkniffenen Gesichtern. Sie waren Jungen, aber sie waren von Tareks Volk, und ich, der ich nur eine Hand hatte, musste wenig bedrohlich erscheinen. Trotzdem packte ich ein erschrockenes Zicklein am Fell im Nacken, biss mir auf die Zunge, und die Ziege und ich verschwanden vor den Augen der Jungen.
    Beinahe machte es mir Spaß.
    Als ich aus dem Wald trat, ging Tom auf und ab, die Stirn gerunzelt. »Ganz schön lange gepisst…« Er erblickte die Ziege.
    »Kannst du eine Ziege schlachten, Tom?«
    Er nickte, sprachlos. Aber Tom Jenkins war niemals lange sprachlos. »Verdammt, wo hast du das gefunden? Ich habe den ganzen Tag lang kein Tier gesehen, nicht mal einen mickrigen Vogel. Das ist eine ganz Hübsche, nicht? Ich bin so hungrig, dass ich ein…« Er brach mitten im Satz ab.
    »Was ist?«, fragte ich.
    Tom flüsterte: »Ist diese Ziege… ist sie eine Tote? Können wir eine Tote essen? Roger, was ist, wenn uns das…«
    »Es ist keine Tote. Ich habe den Pfad der Seelen betreten und sie von einem Bauernhof der Wilden auf der anderen Seite gestohlen. Sie lebt, bis du sie tötest, Tom.«
    Seine Miene hellte sich auf. Er nahm das Zicklein, das armselig, aber vergeblich meckerte. Ich wandte mich ab, um sicherzugehen, dass Stephanie noch schlief. Jee war ein Jäger, aber es war ziemlich sicher, dass die Prinzessin nie gesehen hatte, wie ein Tier geschlachtet oder gehäutet wurde. Stephanie schlief weiter, bis der Geruch von bratendem Fleisch sie beide weckte.
    Ich konnte es tun. Ich konnte uns durchfüttern, indem ich den Pfad der Seelen nach drüben betrat und wieder zurückkehrte. Wir konnten über diese stillen Berge, in denen es kein Wetter gab, bis zum Königinnenreich wandern, und ich konnte sie alle sicher wieder zurückbringen, ins Land der Lebenden.
    Ich konnte das tun. Außer wir trafen auf das andere Leben, das es an diesem Ort gab.
    Einmal war ich schon mit jemand anderem durch das Land der Toten gereist. Ich hatte Cecilia vom Seelenrankenmoor zurückgeführt, durch die Unbeanspruchten Lande zum Rand des Königinnenreichs. Aber damals hatte ich in beiden Reichen gelebt, und ich hatte bei Tag im Land der Lebenden reisen müssen, mit Maggie, und nachts im Land der Toten, mit Cecilia. Und Cecilia war gefügig gewesen und hatte auf nichts reagiert. Tot. Nur die Landschaft war lebendig gewesen, aufgewühlt von Gewittern und Wind und Erdbeben.
    Nun lag die Landschaft still da, der Nebel reglos und leicht, die Toten ruhig. Es gab keine Spur von anderen Hisafs oder meiner Schwester. Auf verdrehte Weise fing diese Abwesenheit an, mich zu

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