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Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02

Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02

Titel: Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kendall
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Wussten sie, wo ich war? Ich konnte es nicht sagen. Aber sie betraten das Seelenrankenmoor nicht– aus Angst, aufgrund militärischer Befehle, wer wusste schon, warum. Ich setzte mich hin, den Rücken dicht an die Granitwand geschmiegt, und versuchte, die Dunkelheit zu beschleunigen. Die Nacht würde mich verbergen.
    Die ersten hellen Sterne kamen hervor. Dann die zweite Gruppe, weniger hell. Der Stein in meinem Rücken verlor das bisschen Wärme, das er durch die unzuverlässige Sonne gespeichert hatte. Ich spähte vorsichtig um den Felsen herum und sah am Rande der Wälder ein Lagerfeuer. Die Wilden harrten hier aus.
    Aber wenn ich kein Feuer machte, würden mich zumindest die Leute vom Seelenrankenmoor nicht finden. Mein Bauch ächzte vor Hunger. Meine Kleider waren noch nass vom Regen dieses Vormittags. Die Sommernacht war warm, aber nicht warm genug. Wenn es ganz dunkel war, würde ich mich bewegen– kriechen, wenn es nötig war–, das Moor durchqueren und die Unbeanspruchten Lande an irgendeiner Stelle östlich des Lagers der Wilden wieder betreten. Vielleicht konnte ich auf diese Weise fliehen.
    Aber es geschah nicht auf diese Weise. Stattdessen kamen Lichter von irgendwoher tiefer im Seelenrankenmoor hüpfend auf mich zu. Anfangs dachte ich, dass es sich nur um Sumpfgase handelte. Dann erkannte ich, dass es das nicht war. Sie kamen unbeirrbar auf meinen Felsen zu.
    Unmöglich. Die Bewohner des Moors konnten nicht wissen, dass ich hier war. Das war ein Zufall; eine Jagdgesellschaft oder sonst irgendein merkwürdiges Ritual, das nichts mit mir zu tun hatte…
    Die Lichter kamen geradewegs auf meinen Felsen zu.
    Ich rannte in der Düsternis weg, nach Osten, versuchte, mich aus den Sümpfen fernzuhalten, in denen ich bis zur Hüfte versinken konnte. Aber die Gestalten ragten auch vor mir auf, und ich änderte die Richtung. Weitere Gestalten, dann Rufe aus dem Lager der Wilden, und dann warf sich ein Körper auf mich. Wir gingen zu Boden. Ich wehrte mich, aber ich war ihm nicht gewachsen, einem starken jungen Mann mit zwei gesunden Händen. Ich schlug blind um mich, er schlug zurück, und alles wurde schwarz, gerade als die ersten Gewehr schüsse krachten und jemand aufschrie.
    Ich kam an einem Ort zu mir, den ich gut kannte. Einem niedrigen, fensterlosen Raum, der aus Stein gebaut war. Ein Feuer glomm in der Mitte, der Rauch stieg durch ein Loch im Dach auf. Fackeln brannten in Halterungen an den Wänden. Steinbänke, auf denen sich Felldecken türmten, standen im Kreis um den Platz in der Mitte, unter jeder Bank waren Körbe. Das einzige andere Möbelstück war eine große Trommel. Als ich vor zwei Jahren hier gewesen war, hatten sich viele Frauen und Männer in dem Steinraum aufgehalten, und sie hatten…
    Denk nicht daran.
    Ich hatte mit ihnen auf Fellen gesessen, die man auf den Boden geworfen hatte. Nun lag ich gefesselt auf dem Stein, und ein einzelner Mann war bei mir. Er saß auf einer Bank, blickte auf mich herab. Es war der uralte Mann mit dem weißen Bart und denselben grünen Augen wie Cecilia, wie Fia.
    »Hisaf«, sagte er sanft. »Du bist also zurückgekehrt.«
    Ich kämpfte gegen die Seile, die mich fesselten. Die Seile hielten.
    »Niemand kehrt ins Seelenrankenmoor zurück«, sagte er.
    Aber ich war ein Hisaf! Sie töteten Fremde, aber vor zwei Jahren hatten sie mich nicht getötet. Weil ich ein Hisaf war. Also war zumindest eine Regel für Hisafs anders, und sicher würden dann auch andere Regeln anders ausfallen, der Alte wollte damit sicher nicht sagen, dass…
    »Ich bin ein Hisaf!«, schrie ich.
    »Ja«, stimmte er zu. »Und weil das so ist, wird uns dein Fleisch große Macht verleihen.«
    Und dann konnte ich mir nicht länger einreden, dass ich nicht daran denken sollte, dann war es vorbei mit dem Zurückhalten meiner Erinnerungen. Das gebratene Fleisch, saftig und fettig… ich, der es aß, während das Feuer mit dem süß riechenden Pulver leuchtete, das man darauf geworfen hatte…
    Cecilia… Cecilia …
    »Hör auf, so zu heulen«, sagte der alte Mann, sein faltiges Gesicht vor Ekel noch stärker in Falten gelegt. »Du bist ein Hisaf. Du solltest auch die Fähigkeit haben, wie einer zu sterben.«

22
    Es war mein Traum, auf monströse Weise Wirklichkeit geworden. Ich lag in dem flachen Hochlandmoor vor dem runden Steinhaus. Eine Fackel, die man neben mir in den Boden gesteckt hatte, brannte hell, und hinter ihrem Lichtkreis bewegten sich… Menschen, die Unmenschliches

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