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Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02

Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02

Titel: Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kendall
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Gemetzel schien ewig weiterzugehen, aber so war es nicht. Es dauerte nur ein paar Minuten.
    Dann Stille.
    »Peter.« Tom erhob sich neben mir, Blut lief über seine Kleider, und sein Gesicht war bleich. »Geht es dir gut?«
    Ich konnte nicht sprechen. Meine Hilflosigkeit schien Tom sicherer zu machen. In sein Gesicht kam wieder Farbe. Seine Hand zitterte nicht, als er meine Fesseln durchschnitt.
    Ich setzte mich auf den Felsen. Junge Männer und Frauen lagen tot oder sterbend überall am Boden. Ein paar stöhnten. Inmitten des Blutbads saß ein einzelner großer Hund.
    Schatten.
    Wolle.
    Meine Stimme bebte, als ich sprach. »Da waren viele Hunde…«
    Tom wirkte verwirrt, aber nur kurz. »Die meisten sind weggelaufen. Komm, Peter, wir müssen weg von diesem verfluchten Ort!«
    Die Hunde waren nicht weggelaufen. Während ich hilflos dagelegen und mein übernatürlich scharfes Gehör sich auf das gewaltsame Töten um mich herum eingestellt hatte, hatte ich viele Hunde gehört und gesehen, aber ich hatte nicht gehört, dass sie fortgelaufen waren. Ich presste hervor: »Hast du nicht geseh…«
    »Komm jetzt, Peter!«
    Tom packte mich an der Hand und zog mich nach vorn. Ich blickte über die Schulter zurück zu dem Steinhaus. Niemand war daraus hervorgekommen. Die Älteren des Seelenrankenmoors saßen in ihrem berauschten Zustand da, waren Beobachter an irgendeinem Ort im Land der Toten.
    Ich lief mit Tom, bis ich nicht mehr weiterlaufen konnte. Als ich stolperte und hinfiel, fing er mich auf. Wir rasteten kurz in der Dunkelheit, und dann brachte er mich dazu, wieder weiterzulaufen. Ich verlor das Gefühl für Zeit, Ort und alles– bis auf die schrecklichen Bilder in meinem Kopf.
    Meine Mutter, das frische Blut an ihrem lavendelblauen Kleid…
    Eine gekrönte Gestalt im Nebel…
    »Komm schon, Peter!«, sagte Tom.
    »Du gehörst nicht hierher, nicht auf diese Weise. Aber bald.«
    Bumm bumm-bumm-bumm buuuum …
    Das Knirschen von Zähnen auf Fleisch und Knochen…
    Meine Mutter, das frische Blut auf ihrem lavendelblauen Kleid…
    »Komm jetzt– nur noch ein Stück weiter.«
    Wir gingen ein Stück weiter. Noch ein Stück. Wir hielten an. Ich taumelte zu Boden, von der größten Erschöpfung erfasst, die ich je erlebt hatte, und dann war ich eingeschlafen, dankenswerterweise ohne zu träumen.

23
    Ich wachte im Wald auf, unter einer riesigen Eiche. Neben mir schlief ein grauer Hund. Tom kauerte über einem Haufen Brennholz, blies sanft auf Funken, die er mit seinem Stahl und Feuerstein schlug. Er konnte nicht lange genug mit dem Blasen aufhören, um etwas zu sagen, also winkte er mir mit der Hand zu. Der Hund regte sich, stand auf und streckte sich. Ein Vogel zwitscherte, hielt inne und zwitscherte weiter.
    Die Szene war so ruhig, so alltäglich, dass mich ein Gefühl der Unwirklichkeit überkam. Hatte ich wirklich in Hygryll letzte Nacht das Grauen gesehen? Hatte ich wirklich gefesselt dagelegen, um getötet zu werden, während die Älteren des Seelenrankenmoors auf mein Fleisch warteten? Hatte sich wirklich ein Rudel Hunde aus dem Nichts materialisiert und…
    Nichts konnte sich aus dem Nichts materialisieren, und ich kannte nur einen Ort, von dem ein fester Körper aus der leeren Luft hergebracht werden konnte. Aber das erforderte, dass er von einem Hisaf geholt wurde, und außerdem gab es im Land der Toten keine Hunde.
    Der Hund wedelte mit dem Schwanz und brachte mir einen Stock zum Werfen.
    Tom hatte sein Feuer in Gang gebracht. Er sagte: »Du hast lange geschlafen. Wolle hat schon ein fettes Kaninchen gebracht– nicht wahr, Junge, guter, alter Hund! Nun, ich nehme an, du hast den Schlaf gebraucht, nach allem, was beinahe… Peter, ich muss mich bei dir entschuldigen.«
    Es war das Letzte, was ich erwartet hatte. Ich blinzelte ihn an. Sein Gesicht war ernst.
    »Verstehst du, ich dachte, du hättest mich hereingelegt. Nachdem du gegangen bist und mich hast glauben lassen, du hättest Angst vor den Soldaten der Wilden, bin ich zu dem Schluss gekommen, dass du mir einen Haufen Lügen aufgetischt hast und selbst mit Fia weggelaufen bist. Also bin ich dir gefolgt. Aber du bist nicht mit ihr weggegangen, oder?«
    »Nein.«
    »Wo ist sie also?«
    Sein Gesicht war vor Schmerz verzogen. Zum ersten Mal kam mir in den Sinn, dass Fia für ihn vielleicht das war, was Cecilia für mich gewesen war. Nicht nur eine mögliche Bettgefährtin, sondern eine verlorene Liebe. Ich sagte, und das waren mitunter die wahrsten Worte, die ich

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