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Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02

Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02

Titel: Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kendall
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machen wir jetzt?«
    »Losziehen«, sagte ich.
    »Weshalb?«
    »Es gibt einen Ort, dem ich einen Besuch abstatten muss, und jemanden, den ich treffen muss, aber ich kann dir darüber nicht mehr erzählen. Wenn du unter diesen Umständen mit mir reisen willst, freue ich mich über deine Begle itung. Wenn du nicht mitkommen willst, verstehe ich das.«
    Sein Gesicht umwölkte sich. »Du vertraust mir nicht.«
    »Ich vertraue dir«, sagte ich, und es war nur zum Teil eine Lüge. Es gab keinen treueren, nützlicheren und unermüdlicheren Menschen als Tom. Es gab auch keinen, bei dem es wahrscheinlicher war, dass er uns durch irgendeine impulsive Handlung beide umbrachte. »Aber ich kann deine Fragen trotzdem nicht beantworten. Wirst du dennoch mitkommen?«
    Er kaute auf seinem Daumennagel und starrte mich aufgebracht an. »Du verrätst es mir nicht?«
    »Kann ich nicht.«
    »Sind das noch mehr Lügen?«
    »Nein. Ich sage dir nichts, damit ich dich nicht belügen muss.«
    Er dachte darüber nach, versuchte es zu begreifen. Machte ich ihm ein Kompliment, oder betrog ich ihn? Die Abläufe in seinem langsamen Gehirn waren mir klar– klarer als die Abläufe in meinem.
    Meine Mutter, mit frischem Blut an ihrem lavendelblauen Kleid …
    Eine gekrönte Gestalt im Nebel …
    Fia …
    Und ich war aus dem Land der Toten zurück geschickt worden. Ich hatte mich nicht entschieden, auf dem Pfad der Seelen zurückzukehren; ich war fortgerissen worden– etwas, das mir noch nie geschehen war. Ich wusste nicht, wer eine solche Macht besitzen mochte, noch was im Land der Toten vorging, und ich kannte nur einen Menschen, der es mir sicher sagen konnte. Aber ich hatte keine Ahnung, wo Mutter Chilton sich aufhielt. Da blieb nur eine andere Person, die nützliche Hinweise haben könnte. Mein Plan– wenn er diesen Namen überhaupt verdiente– war ein verzweifelter. Aber es war alles, was mir einfallen wollte.
    »Ich komme mit«, sagte Tom und schob mit den Füßen Erde über das Feuer. Er rollte seinen Umhang zusammen, in dem ich geschlafen hatte, und packte rasch Messer, Kochtopf, Krug und Gewehre ein. Als er fertig war, blickte er mich erwartungsvoll an.
    »Wohin gehen wir?«
    »Nach Osten«, sagte ich.
    Es dauerte mehr als vierzehn Tage. Wir hielten uns am Nordrand des Seelenrankenmoors, manchmal in Sichtweite des Moores selbst, wenn man den langen, bewaldeten Hang eines Hügels hinabblickte. Ich erhaschte Blicke auf leeres Land, auf Sümpfe, die man am grünen Moos erkannte, auf hohe Felsentürme, aber niemals auf irgendwelche Siedlungen. Das Gehen war hier leichter, als es weiter nördlich im Herzen der Unbeanspruchten Lande gewesen wäre. Eines Abends zeichnete ich eine Karte für Tom in die Erde, wie es vor langer Zeit Kit Beale für mich getan hatte.
    »Schau, hier sind die Unbeanspruchten Lande, und nördlich davon ist das Königinnenreich. Das ist das Meer, hier im Osten. Wir sind unterwegs zum Meer.«
    »Oh«, sagte Tom. Er wusste es inzwischen besser, als mich nach dem Grund dafür zu fragen. Auch zeigte er nicht viel Interesse an meiner Karte. Er konnte nicht lesen und sich auch nicht dafür erwärmen, dass ich ihm Buchstaben beibrachte. Für Tom Jenkins existierte die Welt nicht in Form von Symbolen, auch nicht in Form von Aberglauben oder Erinnerungen, sondern nur in dem, was er unmittelbar vor sich sehen und fühlen konnte. Er erwähnte Fia nie wieder, und ich sah ihn auch nie mehr auf ihre Miniatur blicken.
    Manchmal beneidete ich ihn.
    »Wenn wir ans Meer kommen«, sagte ich und deutete mit meinem Stock auf die Kartenskizze, »wandern wir an der Küste entlang nach Norden.«
    »Oh. Ist noch etwas Kaninchen übrig? He, Wolle, du fauler Hund, du hast ein viel zu kleines Kaninchen gefangen, du Lump! Morgen musst du es besser machen, Wolle, alter Junge, guter, alter Hund!«
    Wolle, der nicht Wolle war, wedelte mit dem Schwanz.
    Das Marschieren wurde schwerer, sobald wir am Meer angelangten. Die Küste war wild, mit tiefen, verborgenen Buchten, hohen Klippen; Behausungen gab es hier nicht. Als das Land jedoch abfiel, stießen wir auf grobe Pfade und hin und wieder auf eine abgeschiedene Hütte. Das Wetter blieb klar und warm, und Wolle fand genug zu essen. Wann immer Tom mit den Leuten aus den Hütten sprach, waren sie nicht sehr gesprächig, eher argwöhnisch, aber wir erfuhren, dass die Soldaten der Wilden in diesem abgelegenen Gebiet noch nicht aufgetaucht waren. Irgendwo, ohne dass es eine Markierung gegeben hätte,

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