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Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02

Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02

Titel: Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kendall
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Prinzessin stieg zwischen ihnen empor und nahm auf dem zweiten Thron Platz. Ihre Füße in den juwelenbesetzten Schuhen reichten nicht bis zum Boden.
    Zwei alte Männer traten aus der Gruppe der Berater vor, Lord Rathbone und Lord Carstill. Ich kannte sie beide aus der Zeit von Königin Carolines Herrschaft, während der sie ihr keine Berater, sondern Geiseln gewesen waren. Der Narr der Königin sieht viel. Als große Landbesitzer im nördlichen Teil des Königinnenreichs hatten sie beide versucht– und waren daran gescheitert–, die verwitwete Königin mit einem ihrer Söhne zu verheiraten. Jene Söhne waren so dumm und wenig vertrauenswürdig wie sie selbst. Im Lauf der Generationen war das Blut dünn geworden. Aber auch jemand ohne Klugheit kann eine Art niederer Verschlagenheit besitzen, und es war offensichtlich, dass die Lords Rathbone und Carstill ihre Treue verkauft hatten, verschachert an den Junghäuptling im Austausch für Stellung und Macht. Sie stiegen voller Selbstvertrauen die Stufen zum Podium hinauf, lächelnd, und hinter mir lief ein leises Zischen durch die Reihe der Höflinge.
    Der Junghäuptling achtete nicht darauf. Er erhob sich und nahm Stephanies Hand. Sie zuckte zusammen. Er zog sie auf die Füße. Lord Carstill war, wie mir einfiel, ein Geistlicher.
    Die Hochzeitszeremonie war kurz, auf die wesentlichen Worte reduziert, all ihrer Poesie und Freude beraubt. »Euer Gnaden«, sagte Lord Carstill mit einem selbstgefälligen Lächeln, »werdet Ihr den Hochlord Tarek, Sohn von Solek, Sohn von Taryn als Euren Ehemann annehmen?«
    Stephanie nickte. Der Junghäuptling zerrte an ihrer Hand. Sie flüsterte kaum hörbar: »J…ja.«
    »Hochlord Tarek, Sohn von Solek, Sohn von Taryn, werdet Ihr Prinzessin Stephanie vom Königinnenreich als Eure Gemahlin annehmen?«
    »Ja.« Seine Stimme war kehlig, aber klar bei diesem einen Wort in einer Sprache, die nicht die seine war. Seine Augen– wie konnten Augen nur so blau sein?– glitzerten vor Entschlossenheit. Er blickte seine zitternde Braut nicht an, sondern wandte seinen Blick stattdessen den Leuten des Königinnenreichs zu, den Adligen und Beratern genauso wie dem einfachen Volk, und die Botschaft in jenem Starren aus blauen Augen war deutlich: Fordert mich nicht heraus.
    Und niemand tat es. Wo war Lord Robert Hopewell, der Regent und Beschützer der Prinzessin? Einst hatte er eine Armee aufgestellt, um zu versuchen, Königin Caroline zu retten. Weshalb tat er nicht das Gleiche für ihre Tochter? Er musste tot sein, zusammen mit jeglichen anderen Getreuen, die man nicht hatte einschüchtern oder gefügig machen oder bestechen können, damit sie diese Heirat akzeptierten, die nicht nur eine Verletzung des Anstands, sondern auch der Gebräuche des Königinnenreichs seit Anbeginn der Zeit darstellte. Die königliche Prinzessin heiratete immer mit siebzehn. Sie wurde, so ihre Mutter nicht früher starb, mit fünfunddreißig gekrönt, wenn ihre Mutter abdankte. Eine Frau durfte nicht zu lange herrschen, damit sich keine Tyrannei einschlich. Frauen, die Lebensspenderinnen, herrschten. Männer, die Verteidiger, beschützten diese Herrschaft. Das war die Sitte des Königinnenreichs, das Gesetz des Lebens selbst. Die einzige Erklärung dafür, dass Lord Robert an der Erfüllung seiner Pflicht gescheitert sein könnte, war die, dass der Junghäuptling ihn getötet hatte.
    Tarek, Sohn von Solek, Sohn von Taryn, und nun Gemahl der Prinzessin Stephanie, erhob sich grimmig. Nie hatten zwei Leute weniger wie ein Brautpaar gewirkt. Ein erschrockenes kleines Mädchen und ein wilder Krieger, in Federn und Fell gekleidet, der das in Anspruch nahm, was seinem Vater verheißen worden war.
    Auf einmal lief ein Schrei durch die Menge, und diesmal versuchte niemand, weder Adlige noch Gemeine, ihn zu unterdrücken. Ein weiterer junger Sänger schritt allein durch den Thronsaal. Auf einem riesigen Kissen trug er zwei Kronen. Eine war ein einfaches Silberband. Die andere war die Krone von Gloria.
    Eingelassen in die Krone von Gloria, die aus schwerem Metall mit einem Überzug aus Blattgold gefertigt war, waren Edelsteine jeglicher Tönung, ein Regenbogen der Farben jeder Königin, die geherrscht hatte. Das Königinnenreich. Smaragde, Saphire, Rubine, Amethyste, Diamanten. Onyx, Beryll, Opal, Topas. Edelsteine, für die ich keine Namen hatte, weder für den Stein noch für die Farbe. Die Krone von Gloria hatte man jeder neuen Königin an ihrem fünfunddreißigsten Geburtstag

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