Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02

Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02

Titel: Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kendall
Vom Netzwerk:
ernst, und kein Höfling hatte sie zur Frau gewählt. Einer von ihnen hätte es tun sollen, denn sie besaß Würde und Kraft. Als ich sie beobachtete, wie sie ihre Röcke auf einem dreibeinigen Hocker arrangierte, die Hände im Schoß faltete und sich dabei aufmerksam umblickte für den Fall, dass irgendetwas Nützliches zu tun war, erinnerte sie mich auf einmal an Maggie. Was machte Maggie in diesem Augenblick? Wie würde sie von meinem Tod erfahren?
    Meine ganze Angst um mein eigenes Leben, die von einer Flut der Sorge um die kleine Prinzessin abgelenkt worden war, brach in einem Schwall wieder über mich herein. Mein Magen verkrampfte sich, und mir wurde die Kehle eng, was jeden Atemzug zu einer Qual machte.
    Niemand sagte mehr etwas, obwohl die alte Amme vor sich hinmurmelte. Man ließ uns nicht lange allein. Die Tür flog auf, und zwei Wilde traten ein. Der erste packte die Frauen, eine mit jeder Hand, und schleifte sie hinaus.
    Lady Margaret blickte sich zu mir um. »Lebe wohl, Roger«, sagte sie. Wir wussten beide, dass sie mehr als einen einfachen Abschied meinte.
    »Lebt wohl, meine Lady.«
    »Was immer du unter Schmerzen sagst, spielt keine Rolle. Es kann nicht weniger aus dir machen, als du bist.«
    Es blieb keine Zeit für eine Antwort; der Soldat scheuchte sie den Gang entlang. Lady Margaret hatte das getan, wozu Mutter Chilton mich angehalten hatte: Sie hatte an andere gedacht. Während mein Häscher mich durch einen anderen Gang zerrte, ohne sich die Mühe zu machen, mir die Handgelenke wieder zu fesseln, versuchte ich, an andere zu denken, um nicht an das denken zu müssen, was mich erwartete.
    An Maggie, die am Herd in Apfelbrück in einem Eintopf rührte, während die hellen Locken ihr in die Stirn fielen…
    Jee, der auf einer Weidenflöte spielte…
    Tom, der triumphierend ein Kaninchen fürs Abendessen mitbrachte…
    Nichts davon half. Angst breitete sich in mir aus wie Eis, und ich bebte an Körper und Geist.
    Der Wilde führte mich zum Hof der Stallungen. Hier war alles in Bewegung, obwohl es ganz dunkel war. Die Stallungen der Armee lagen außerhalb der Stadt, aber die königlichen Jagd- und Kutschpferde und die Kurierpferde wurden hier gehalten genauso wie die Kutschen und Wagen. Fackeln flackerten in ihren Halterungen an den Wänden des Hofes. Soldaten der Wilden riefen Befehle. Stallknechte aus dem Palast und Stalljungen beeilten sich, die Befehle auszuführen. Pferde, die bemerkten, wie angespannt die Lage war, hämmerten mit den Hufen auf das Pflaster und wieherten. Drei Männer zogen einen Wagen aus seinem Unterstand.
    Was immer beim Aufstand im Thronsaal noch geschehen war, er musste rasch niedergeworfen worden sein. Wie viele waren verletzt oder getötet worden? Ich würde es nie erfahren.
    Mein Wächter schob mich in ein Lagerhaus, an dessen Rückseite sich eine kleine Eichentür befand, die nicht ganz eine Manneshöhe erreichte. Er nahm eine Fackel von der Wand, schloss die Tür auf, schob mich durch und sperrte sie von innen wieder ab. Wir standen auf einem schmalen hölzernen Absatz am oberen Ende einer Steintreppe. Während meiner Monate im Palast hatte ich nie erfahren, wo sich die Kerker befanden. Hier waren sie.
    »Kerker«– was für ein großartiger Name für solches Elend. Am Fuße der Stufen hatte man einen kurzen Gang in die Erde gegraben. Seine groben Wände, die von Holzstreben gestützt wurden, erstreckten sich nicht weiter als zwanzig Fuß. Der Boden aus festgetretener Erde fühlte sich unter meinen nach wie vor nassen Stiefeln uneben an. Auf jeder Seite des Gangs waren zwei Holztüren mit vergitterten Fenstern in die Lehmwände eingelassen, und eine weitere Tür am Ende des Gangs. Zwischen den Türen waren Fackelhalter an den Wänden befestigt, die im Augenblick leer waren. Niemand rief uns als Erwiderung auf unser Fackellicht etwas zu; niemand schrie vor Qualen. Der Ort ähnelte nichts so sehr wie einem leeren Grab.
    Aber es war nicht leer. Der Wilde schloss eine der Holztüren auf. Gestank schlug mir entgegen: ungewaschene Körper und Eimer voller Fäkalien. Der Soldat schubste mich in die Finsternis dort drinnen. Er zögerte. Dann schloss er die Tür, aber das Licht verschwand nicht. Er hatte die Fackel im Halter vor der Tür zurückgelassen.
    »Wer bist du?«, fragte eine Stimme nicht eben freundlich.
    Ich brauchte einen Augenblick, damit sich meine Augen an ein Licht anpassten, das so düster war, dass außerhalb des Lichtkreises der Fackel nur Umrisse sichtbar

Weitere Kostenlose Bücher