Das Land zwischen den Meeren
Nachbarfamilien zu erobern, die bei ihnen oft genug ein- und ausgegangen waren. Dieser Junge war ein Träumer und mit seinen fünfunddreißig Jahren noch längst nicht reif, die Plantage eigenständig zu leiten. Dazu war weiterhin eine starke, führende Hand vonnöten. Die Pedro dem Sohn nicht verwehren würde. Ja, es warteten noch viele wichtige Aufgaben auf ihn, den großen Kaffeebaron, bis Antonio einmal der Herr auf der Hacienda Margarita wäre. Irgendwann, wenn er selbst nicht mehr lebte.
Und für diesen Zeitpunkt wollte er Antonio ein wohlbestelltes Haus hinterlassen. Deswegen musste Pedro noch zu Lebzeiten seine Machtposition weiter ausbauen. In den zurückliegenden sechs Monaten hatte er zwei kleinere Plantagen dazugekauft. Die Eigentümer hatten sich eingebildet, ihn beim Kartenspiel schlagen zu können. Diese Einfaltspinsel! Nun waren sie Pächter ihres ehemaligen Besitzes und hatten für lange Zeit ihre Schulden bei ihm abzutragen. Und zwar zu seinen Konditionen.
Pedro fühlte sich immer noch stark wie ein Bär, obwohl er bereits Mitte sechzig war. Anfangs hatte er es nicht wahrhaben wollen, an eine Sinnestäuschung geglaubt und die Beschwerden rasch verdrängt. Dennoch musste er sich in stillen Momenten eingestehen, dass seit der letzten Ernte sein Herz manchmal für einige Schläge aussetzte. Das Treppensteigen fiel ihm schwer, und in den unpassendsten Situationen stellte sich manchmal dieser eigenartige Schwindel ein. Doch davon brauchte niemand etwas zu wissen. Durfte niemand etwas erfahren. Nicht einmal sein Arzt. Der hätte ihm höchstens Alkohol und Tabak verboten, und diese Vergnügungen wollte er sich keinesfalls nehmen lassen. Hastig und gierig zog er an der Zigarre und musste husten. Spülte das Kratzen mit einigen Schlucken besten französischen Cognacs weg.
»Die Überraschung ist dir wirklich gelungen, mein Sohn. Deine Mutter und ich hatten schon befürchtet, wir müssten eines Tages von dieser Welt gehen, ohne Enkel zu hinterlassen. Allerdings haben wir beide gar nicht bemerkt, dass du dich so intensiv um die Damenwelt gekümmert hast. Und nun spann deinen Vater nicht länger auf die Folter und sag, wer die Auserwählte ist.«
Antonio setzte zu einer Antwort an, doch Pedro gebot ihm mit einer flüchtigen Handbewegung zu schweigen.
»Nein, warte. Lass mich zuerst raten. Ich finde es auch allein heraus … Es ist Francesca Picado Dobles. Du weißt, sie wäre uns als Schwiegertochter äußerst willkommen. Ihr Vater ist im Finanzministerium tätig. Eine solche Verbindung kann von unschätzbarem Wert sein.«
Antonio schnippte sich ein unsichtbares Staubkorn vom Ärmel, richtete den Blick fest auf den Vater. »Diese geistlose und eitle Person habe ich noch nie gemocht. Außerdem läuft gegen ihren Vater ein Korruptionsverfahren. Er steht im Verdacht, Bestechungsgelder zu kassieren, die ein Vielfaches seines Einkommens betragen.«
»Du musst noch viel lernen, Antonio. Zum Beispiel, dass man mit Ehrlichkeit allein im Leben nicht immer weiterkommt. Also, wer ist die Frau?« Ungeduldig trommelte Pedro mit den Fingerspitzen auf die Lehne seines Sessels. Er verspürte leisen Ärger, weil sein Sohn es so spannend machte. Schließlich wollte er früh zu Bett gehen und am nächsten Morgen bei Sonnenaufgang mit einigen alten Freunden zur Jagd aufbrechen. Er hatte schon lange keinen Affen und kein Gürteltier mehr erlegt. Und ihm war danach, wieder einmal eine Flinte in der Hand zu halten. Sich als ganzer Mann zu fühlen. Zumindest bei der Jagd …
»Señorita Dorothea Fassbender.«
Um ein Haar wäre Pedro Ramirez Garrido die Zigarre aus dem Mund gefallen. Ungläubig starrte er seinen Sohn an, schüttelte heftig den Kopf. »Ich habe mich wohl verhört. Sag, dass das nicht wahr ist.«
»Sie ist die wunderbarste Frau, der ich jemals begegnet bin. Sie hat meine Seele berührt.«
»Ach was! Alles nur sentimentaler Unsinn.« Ärgerlich schwenkte Pedro eine Hand durch die Luft. Dabei fiel ein Klümpchen Asche auf den Teppich, der schon bei seinem Großvater im Arbeitszimmer gelegen hatte.
Antonios Ton wurde schärfer.
»Sie ist die wunderbarste Frau – nach meiner Mutter.«
Pedro öffnete den Mund und schloss ihn wieder. Offenbar hatte er sich doch getäuscht. Sein Sohn war sehr wohl gerissen. Wenn auch nicht in geschäftlichen Belangen. Denn immer dann, wenn er unbedingt etwas durchsetzen wollte, brachte er seine Mutter ins Spiel. Und der Vater fiel stets darauf herein. Zwischen Mutter und Sohn
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