Das Land zwischen den Meeren
bestand eine herzliche und enge Bindung. Dummerweise hatte sich Pedro innerlich nicht rechtzeitig auf diesen Schachzug vorbereitet. Isabel, seine Frau, dieses zarte, ewig kränkelnde Feenwesen, das er einmal leidenschaftlich geliebt hatte … Er dreißig und sie nicht einmal zwanzig. Mit seiner Bemerkung hatte Antonio den Finger in die Wunde gelegt. Den Vater an seiner verletzlichsten Stelle getroffen. Doch Pedro wollte seinem Sohn gegenüber noch nicht klein beigeben, fühlte sich in die Offensive gedrängt. Er lockerte den Hemdkragen, der ihm plötzlich die Luft zum Atmen abschnürte.
»Seit Jahren schon drängen deine Mutter und ich dich zur Heirat. Unter allen vorstellbaren Kandidatinnen in diesem Land war manche gute Partie. Reiche Mädchen, adlige junge Damen, solche, deren Väter Einfluss in Wirtschaft und Politik haben. Warum also willst du ausgerechnet eine Frau nehmen, die nicht von hier stammt? Eine, die aus dem Nichts gekommen ist, die nichts hat und nichts ist?«
»Sie besitzt Bildung, gesunden Menschenverstand und Mut. Im Gegensatz zu den jungen Frauen, die ich bisher kennengelernt habe. Denn die haben nur ihr Aussehen, teure Kleider und den nächsten Ball im Kopf. Und vergiss nicht – Señorita Fassbender hat mir das Leben gerettet.« Antonio schlug die Beine übereinander, legte die gespreizten Finger aneinander. Sein Blick war auf provozierende Weise sanft und sicher.
Mit leicht zitternden Händen füllte Pedro erneut sein Cognacglas bis zum Rand, trank es in einem Zug bis zur Hälfte aus. Er musste dringend hinunterspülen, was ihm auf der Zunge lag, aber nicht über seine Lippen kommen durfte. Herrgott, dieser Junge konnte so stur und so logisch sein! Von wem hatte er das bloß? Es gab etwas in Antonios Leben, das er als Vater nicht zu knacken vermochte. Weil sein Sohn ihm stets wie eine Schlange entglitt. Jetzt galt es, geschickt zu argumentieren. Pedro entspannte seine Miene, verlieh seiner Stimme einen sanften und nachsichtigen Klang. »Was vermutlich nicht mehr als purer Zufall war. Man sollte diese Tat nicht überschätzen. Außerdem, mein Junge, überleg doch nur. Welche Mitgift brächte Señorita Fassbender mit in die Ehe?«
»Ihren Anstand und ihre Herzenswärme.«
Pedro schäumte vor Wut. Diese Antwort war eine Frechheit! Doch er durfte sich nicht geschlagen geben. Sein Lebenswerk stand auf dem Spiel. Er musste an den Stolz des Sohnes als Nachfahr spanischer Eroberer und an seinen Stolz als Costaricaner appellieren. »Antonio, unsere Familie lässt sich bis ins Jahr fünfzehnhundertsechs zurückverfolgen, bis zum Beginn der Kolonisation. Unsere Vorväter kamen aus Katalonien und waren allesamt Kaufleute und Bankiers. Mit deinem Aussehen, deinem künftigen Erbe könntest du jede Frau für dich gewinnen. Jede! Was würden unsere Freunde und Geschäftspartner deiner Meinung nach sagen, wenn eine Fremde zukünftig Herrin auf der Hacienda Margarita werden sollte?«
Doch statt in sich zusammenzusinken und ihn, den Vater, auf Knien um Vergebung für derartig irregeleitete Gedanken zu bitten, wie Pedro gehofft hatte, hob Antonio lediglich die Schultern.
»Dann sagst du eben, es handle sich um eine Liebesheirat. Wie bei dir und Mutter. Einer mittellosen Waisen, die nach dem Tod der Eltern bei ihren Großeltern aufwuchs. Woher stammt eigentlich meine englische Urgroßmutter? War es Wales oder Cornwall?«
Pedros Hand, die das Glas hielt, geriet ins Zittern. Seine Augen traten hervor, der Adamsapfel schwoll an. Nein, er ließ sich von seinem eigenen Sohn nicht provozieren. Brachte dieser Bengel doch seine englischen Vorfahren ins Spiel. Als wäre das nicht etwas völlig anderes gewesen! Zu einer ganz anderen Zeit und unter ganz anderen Umständen.
»Ich werde diese Heirat zu verhindern wissen«, presste Pedro zwischen den Lippen hervor.
Mit gleichgültiger Miene stand Antonio auf und schickte sich an, zur Tür zu gehen. »Gut, Vater, wie du meinst. Wenn ich diese Frau nicht haben kann, dann heirate ich eben überhaupt nicht und bleibe für den Rest meines Lebens ledig. Somit wird eines Tages die gesetzliche Erbfolge eintreten und mein Vetter Gerardo auf der Hacienda einziehen und in diesem Zimmer an deinem Schreibtisch sitzen. Wenn dir das lieber ist …«
Schwer atmend starrte Pedro auf die Tür, die Antonio hinter sich geschlossen hatte, und knirschte mit den Zähnen. Nein, niemals würde der windige Sohn seines windigen Bruders einen Fuß über diese Schwelle setzen. Er hatte schon vor
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