Das Land zwischen den Meeren
zukünftige Schwiegermutter, ließ es sich nicht nehmen, sich um die Gästeliste und das Hochzeitsmenü zu kümmern. Dorothea hatte in einem Brief bei Elisabeth nachgefragt, ob sie ihre Trauzeugin sein wolle, und die Freundin hatte mit Freuden zugesagt.
Weil Pedro Ramirez Garrido kein Kirchgänger war und selbst bei der Hochzeit seines Sohnes keine Ausnahme machen wollte, schlug seine Frau vor, einen Priester zur Hacienda Margarita kommen zu lassen, der die Trauung vornehmen sollte. Dorothea war mit allen Vorschlägen einverstanden. Sie wollte sich ganz und gar nach den Wünschen ihrer zukünftigen Familie richten. Zumal sie spürte, dass die Schwiegereltern die Wahl ihres Sohnes nicht guthießen. Sie begegneten Dorothea zwar nicht unhöflich, aber doch mit spürbarer Zurückhaltung und Skepsis.
Dennoch war sie froh, dass sie nicht nachfragten, ob Familienmitglieder von Seiten der Braut eingeladen werden sollten. Denn Dorothea hatte bei ihrem ersten Besuch auf der Hacienda nur die halbe Wahrheit erzählt, als sie behauptete, sie sei ohne Geschwister aufgewachsen und habe keine Eltern mehr. Folglich gingen Pedro und Isabel davon aus, ihre Eltern seien verstorben. Welch ein Jammer, dachte Dorothea voller Wehmut, dass sie kein herzliches Verhältnis zu ihren Eltern hatte. Wie sehr hätte sie sich dann gefreut, sie auf ihrer Hochzeit in die Arme schließen zu können. Doch als sie zwei Jahre zuvor Hals über Kopf aus Köln geflohen war, hatte sie in ihrer Verzweiflung keinen anderen Ausweg gesehen als diesen.
Sowohl Pedro als auch Isabel hielten den Hochzeitstermin im Juni, mitten in der Regenzeit, für wenig passend. Das Hochzeitsbankett, das im Garten stattfinden sollte, könnte beeinträchtigt werden, so argumentieren sie, und die Gäste bekämen womöglich nasse Füße. Doch Antonio wehrte sich gegen jede Verzögerung, und nach heftigen Diskussionen gaben die Eltern schließlich nach.
Die Siedler waren überrascht, aber auch traurig, als Dorothea ihnen von der bevorstehenden Hochzeit berichtete und mitteilte, dass sie San Martino bald verlassen werde. »Unsere Kinder haben sich gerade an Sie gewöhnt und werden Sie schrecklich vermissen«, erklärten die Eltern. Dorothea wurde es schwerer ums Herz, als sie zunächst angenommen hatte. Auch ihr würde der Weggang nicht leichtfallen. Sie liebte ihren Beruf und hatte die Schüler alle ins Herz geschlossen. Weil noch kein Nachfolger gefunden war und sie die Kinder nicht im Stich lassen wollte, bat sie Antonio, bis zur Hochzeit in der Siedlung wohnen bleiben zu dürfen.
Ein weiteres wichtiges Thema, das es zu klären galt, war das Brautkleid. Eine Schneiderin wurde zu Dorothea geschickt, um Maß zu nehmen sowie Stoff und Schnitt abzustimmen. Isabel wollte ihrer zukünftigen Schwiegertochter bei der Auswahl freie Hand lassen, hatte sich allerdings ausbedungen, über alle Schritte in Kenntnis gesetzt zu werden, um gegebenenfalls einschreiten zu können. Dorothea entschied sich für ein Kleid aus weißer Atlasseide mit zarter Stickerei an der linken Schulter. Die elegante Wirkung sollte allein durch das Material und den schlichten Schnitt – mit langen Ärmeln, Taillenschärpe und weitem Rock – erzielt werden. Sie bat die Schneiderin, eine kleine Rocktasche einzunähen. Darin wollte sie vorsorglich ein Taschentuch verstauen, falls Tränen der Rührung sie überkommen sollten. Isabel hatte keinerlei Einwände, bestand aber darauf, Dorothea müsse das Perlenkollier anlegen, das sie selbst von ihrer Mutter geerbt hatte, sowie den Spitzenschleier, den ihre englische Großmutter bei ihrer Hochzeit im Jahr 1759 getragen hatte.
Isabel Duarte y Alvardo saß im Schaukelstuhl auf der Veranda und ging zum wiederholten Mal an diesem Tag die Liste der Hochzeitsgäste durch. Es waren einhundertfünfundvierzig Personen. Das größte Kopfzerbrechen bereitete ihr die Sitzordnung. Und sie wusste bereits: Gleichgültig, wie sie entschied, einige würden sich düpiert fühlen, weil sie nicht nahe genug beim Brautpaar saßen. Und sicherlich würden viele auch ihre Tischnachbarn ablehnen, sei es, dass sie ihnen zu alt, zu jung, zu hoch oder zu niedrig gestellt, zu geschwätzig oder zu schweigsam vorkamen. Leider konnte sie darauf keine Rücksicht nehmen. Doch sie würde streng darauf achten, verfeindete Parteien weit genug voneinander entfernt zu platzieren.
Zwölf Tische wollte sie im Garten unter einem riesigen Zeltdach aufstellen lassen. Es sollte die Hochzeitsfeier des Jahres werden,
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