Das Land zwischen den Meeren
gesprochen.
»Ich liebe dich, Dorothea. Das musst du mir glauben.«
Sie schwiegen eine Weile. Dorothea knetete ihr Taschentuch zwischen den zitternden Fingern. Antonio kniete neben ihrem Bett, streckte die Hand nach ihr aus, doch sie übersah sie absichtlich. Sie biss sich auf die Lippen, bis sie Blut schmeckte.
»Sag mir, was ich falsch gemacht habe, Antonio. All die Jahre. Seit dem Tag, als du erfahren hast, dass ich schwanger war, hast du mich nie mehr …« Ein erneutes Schluchzen schüttelte ihren Körper. Antonio reichte ihr sein Taschentuch. Sie schluckte schwer und schnäuzte sich. »Warum bin ich dir so zuwider?«
»Sag so etwas nicht, Liebes! Du bist die wunderbarste Frau, die ich kenne. Du hast gar nichts falsch gemacht. Und es hat auch nichts mit dir zu tun … Deswegen schäme ich mich so. Einen Menschen wie dich habe ich nicht verdient … Ich dachte … und hoffte … wenn ich erst einmal verheiratet wäre, dann würde dieser verdammte Drang in mir endlich aufhören …«
»Ich wollte dir eine gute Ehefrau sein.«
»Aber das bist du, glaub mir. Und ich habe dich immer nur glücklich machen wollen.«
Antonio setzte sich zu ihr aufs Bett und presste die gefalteten Hände zwischen die Knie. Seinem Gesicht war die gleiche Verzweiflung anzusehen, die Dorothea in ihrem Innern verspürte.
»Du warst vor unserer Hochzeit so … unbeschwert und doch entschlossen.«
»Es war mein Fehler. Wahrscheinlich hätte ich überhaupt nicht heiraten sollen. Aber meine Eltern bedrängten mich seit Jahren. Immer wieder machten sie mich mit unzähligen Mädchen bekannt. Ich konnte ihnen doch nicht gestehen, dass ich mich nur nach Männern sehnte. Dann lernte ich dich kennen, und irgendetwas veränderte sich. Du hast mir das Leben gerettet – und dann habe ich Hoffnung geschöpft und mir gesagt: Eine solche Frau kann auch meine Seele retten.«
Fassungslos saß Dorothea auf dem Bett und schüttelte den Kopf. »Ich verstehe das nicht, ich kann mir so etwas einfach nicht vorstellen …«
»Ich … ich habe es mir weiß Gott nicht ausgesucht, glaub mir. Aber dieses Gefühl ist so stark … Manchmal weiß ich nicht, wie ich es ertragen soll. Es ist wie ein Geschwür, das mich von innen immer weiter auffrisst.« Antonio schlug die Hände vors Gesicht und schluchzte laut auf. »Es tut mir so leid. Ich wollte dich nicht verletzen. Bitte verzeih mir.«
Voller Mitgefühl blickte Dorothea zu ihrem Mann hinüber, wie er zusammengesunken dasaß. Trotz ihres eigenen Kummers tat es ihr weh, ihn derart hilflos zu erleben. »Sag mir, was ich tun soll. Kann ich … kann ich dir irgendwie helfen?«
Antonio hob die Schultern. »Ich weiß nicht, aber ich will nicht so sein, wie ich bin.«
Dorothea spürte, wie ihr Herz immer stärker klopfte. Und mit einem Mal stieg eine leise Hoffnung in ihr auf. »Antonio, das ist eine wunderbare Voraussetzung. Wenn du dich wirklich ändern willst, dann kannst du es auch schaffen. Du musst nur an dich glauben.«
»Ich weiß nicht, ob ich überhaupt noch an mich glauben kann.« Jäh wandte er den Kopf zur Seite, seine Unterlippe zitterte.
Dorothea rückte näher an ihn heran, schmiegte ihre Wange gegen die seine. Es kostete sie einige Überwindung, doch es tat gleichzeitig gut, seine Haut zu spüren. Sie legte alle Festigkeit und Überzeugungskraft in ihre Worte, die sie aufbringen konnte. Weil es wichtig und richtig war, was sie jetzt sagte. »Ich jedenfalls glaube an dich. Du bist stark. Gemeinsam schaffen wir es.«
Antonio warf sich vor ihr auf die Knie, riss ihre Hände an seine Lippen und bedeckte sie mit unzähligen Küssen. Sie ließ ihn gewähren.
»Dorothea, ich verspreche dir hoch und heilig …« Er wimmerte, brachte kein Wort mehr heraus.
Zart und beruhigend strich sie ihm über den Kopf. »Scht, ganz ruhig, mein Lieber! Du wirst sehen, alles wird gut.«
März 1855 bis August 1855
»Maaamaaa! Livi kann fliegen!«
Jauchzend saß Olivia auf der Schaukel im Park und ließ sich von dem Kindermädchen immer wieder in Schwung versetzen. Dorothea winkte ihr von der Veranda aus zu.
»Ja, mein Engel. Flieg ganz hoch! Bis in den Himmel hinauf. Aber halt dich gut fest, hörst du?« Auf der einen Seite war sie stolz auf die Unerschrockenheit ihrer Tochter. Nicht so zögernd, wie sie selbst als Kind gewesen war. Auf der anderen Seite musste sie die Kleine hin und wieder in ihrem Bewegungsdrang bremsen, aus Sorge, Olivia könne sich verletzen. Dorothea schenkte sich eine weitere Tasse Tee
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