Das Land zwischen den Meeren
Brüste und auch eine Taille. Da hat man als Mann wenigstens etwas zum Anfassen.« Er füllte sein Glas nach, trank es in einem Zug leer und nutzte die Sprachlosigkeit der Tischgesellschaft, um mit schwerer Zunge fortzufahren. »Wahrscheinlich bekommst du deswegen keine Kinder mehr. Weil du zu dürr bist. Ein halb verhungertes Huhn legt schließlich auch keine Eier. Wenn du deinen Mann wirklich liebst, musst du dir ein bisschen mehr Mühe geben, um ihm zu gefallen.«
Dorothea zuckte zusammen und stieß dabei aus Versehen ihr Wasserglas um. Beschwichtigend strich Isabel mit einer Hand über Pedros Arm, er aber schüttelte sie unwirsch ab. Ganz ruhig legte Antonio sein Besteck beiseite und musterte seinen Vater mit kaltem Blick.
»Ich muss dich bitten, Vater, nicht in diesem Ton über meine Frau zu sprechen. Ich liebe Dorothea so, wie sie ist. Wäre sie anders, hätte ich sie nicht geheiratet. Wenn ich dich daran erinnern darf … ich bin ebenfalls ohne Geschwister aufgewachsen. Habe ich euch deswegen jemals Vorhaltungen gemacht? Euch weniger Achtung entgegengebracht?«
Pedro machte eine abwehrende Handbewegung. Seine Augen waren glasig. »Du bist ein männlicher Nachkomme, Antonio, dir wird diese Plantage einmal gehören. Aber wer, bitte schön, wird nach dir der Herr auf der Hacienda Margarita sein? Ist euch denn nicht klar, was auf dem Spiel steht?« Er füllte sein Glas erneut, seine Aussprache wurde immer verwaschener. »Ich habe nicht mein ganzes Leben lang geschuftet, damit der Besitz der Familie Ramirez irgendwann in die Hände von Fremden fällt. Die sich ins gemachte Nest setzen und sich auf unsere Kosten bereichern wollen. Wir brauchen einen männlichen Erben, Herrgott noch mal, Dorothea! Es kann doch nicht so schwer sein, einen Sohn zur Welt zu bringen. Andere Frauen schaffen es schließlich auch. Nimm dir ein Beispiel an Rosa, Isabels Nichte. Die hat sechs Kinder, davon vier Jungen. Und ist bereits wieder schwanger.«
Dorothea sprang so hastig von ihrem Stuhl auf, dass er beinahe umgekippt wäre. Nein, derartige Verleumdungen wollte sie sich nicht länger anhören. Sollte Antonio zusehen, wie er seinen Eltern ihren Abgang erklärte. Wortlos kehrte sie den Schwiegereltern den Rücken zu und hastete in ihr Schlafzimmer hinauf. Verriegelte die Tür hinter sich und ließ sich auf der Bettkante nieder. Sie schlug die Hände vors Gesicht und fühlte sich wütend, enttäuscht und hoffnungslos zugleich. Erst Isabel und dann auch noch Pedro. Ihr versuchte man die Schuld in die Schuhe zu schieben. Dafür, dass sie innerhalb von fünf Ehejahren nicht mehr als ein Kind geboren hatte. Das zudem nur eine Tochter war. Eine wertlose Tochter, weil sie aufgrund der herrschenden Gesetze nicht das Erbe ihres Vaters antreten konnte. Und an deren Entwicklung die Großeltern herzlich wenig Anteil nahmen.
Wie sehr hatte sie sich gewünscht, Olivia mit Geschwistern aufwachsen zu sehen. Eine Schar von Kindern durch den Park toben zu sehen, ihr vielstimmiges Lachen zu hören. Auch weil sie sich selbst früher immer schrecklich einsam vorgekommen war und sich sehnlichst einen Verbündeten oder eine Verbündete gewünscht hatte. Nie hatte sie sich in ihrem Elternhaus angenommen gefühlt, nie geborgen.
Und nun war es ihr Ehemann, der sie nicht annehmen konnte. Er mied sie wie eine Aussätzige. Und seinen Eltern gegenüber erzählte er etwas von Liebe! Bitter lachte sie auf. Heuchelei, alles nur Heuchelei. Denn den verliebten Ehemann gab er nur nach außen, nicht aber, wenn sie miteinander allein waren. Wie war sie nur in eine solche Lage geraten?
Der anonyme Brief, der ihr aus der Tasche des Brautkleides gerutscht war, fiel ihr wieder ein. Die rätselhaften Worte hatten sich tatsächlich erfüllt. Sie war nicht glücklich mit Antonio. Aber wer hätte das voraussehen können? Wusste irgendwer, wie es um ihren Mann bestellt war?
Jemand klopfte an der Tür. Als sie öffnete, drängte sich Antonio durch den Türspalt.
»Ich muss mit dir reden.«
»Tatsächlich? Willst du mich mit leeren Phrasen abfertigen, oder hast du wieder ein Schmuckstück gekauft, dessen Anblick mein Gemüt kühlen und mein Herz erwärmen soll?«
Sie biss sich auf die Lippen und hasste sich für die Worte, die ihr so heftig und schroff über die Lippen gekommen waren. »Verzeih, ich habe es nicht so gemeint … ich … ich weiß einfach nicht, wie es mit uns weitergehen soll.«
Antonio setzte sich neben sie, nahm ihre Hand. »Was ich vorhin am Tisch gesagt
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