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Das Land zwischen den Meeren

Das Land zwischen den Meeren

Titel: Das Land zwischen den Meeren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Paredes
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Reittier.
    »Warum können wir denn nicht mit der Droschke reisen, so wie das Fräulein aus Österreich?«, maulte Lotte Kampmann und rückte unwillig auf dem Mulirücken ein Stückchen zurück, damit die kleine Roswitha vor ihr aufsitzen konnte.
    »Weil wir in die Berge müssen und dort die Wege für Kutschen nicht geeignet sind«, erklärte Jensen und gab das Zeichen zum Aufbruch.
    Gemächlich setzte die Karawane sich in Bewegung, ließ die Küste hinter sich und schlängelte sich in Richtung Osten, in die Berge hinauf. Die Luft war heiß und feucht. Den Reisenden trat der Schweiß auf die Stirn, obwohl sie sich kaum bewegten. Dorothea klammerte sich an den Sattel ihres Mulis, fürchtete anfangs, bei jedem Schritt hinunterzufallen. Erst allmählich fasste sie Vertrauen zu dem Tier, das mit schlafwandlerischer Sicherheit die Hufe voreinander setzte und sie über steinige, enge Pfade trug. Obwohl ihr der Rücken und der Nacken steif wurden und sie den harten, unbequemen Sattel verfluchte, war sie dankbar, in dem unwegsamen Gelände nicht zu Fuß gehen zu müssen.
    Sie konzentrierte sich auf die Landschaft mit den sanft ansteigenden Hügeln und auf die sattgrüne Vegetation mit den unterschiedlichsten Farbschattierungen. Immer dichter standen die Bäume beieinander, bis sie schließlich in den Dschungel gelangten. Schier endlos hohe Baumkronen ließen nur wenig Licht durch. Die Stämme waren mit Moos und Flechten bewachsen, in den Astgabeln saßen kohlkopfgroße Pflanzen mit leuchtend roten und gelben Blüten. Luftwurzeln näherten sich aus großer Höhe dem Erdboden, der von Farnen und anderen bizarr geformten, unbekannten Gewächsen fast vollständig zugedeckt wurde. Ohne die einheimischen Führer hätte Dorothea nicht gewusst, wo überhaupt ein Weg durch das Dickicht führte.
    Plötzlich begann es zu regnen, heftig und unerbittlich. Selbst das dichte Blattwerk über ihnen vermochte keinen Schutz mehr zu bieten. Die Führer ließen anhalten und schlugen in Windeseile zwei Zelte auf. Dicht aneinandergedrängt hockten die Reisenden da, während der Regen laut auf die Planen herabprasselte. Helene Kampmann war seit dem Tod ihres Mannes schweigsam geworden. Dorothea war sich nicht sicher, ob sie ihr Schicksal angenommen hatte oder alles noch nicht recht begriff. Lotte, Peter und Paul hatten sich rascher mit der Situation abgefunden. Sie sprachen nur noch selten von ihrem Vater. Viel mehr beschäftigte sie die Frage, ob wohl jedes Kind demnächst eine Hängematte bekäme wie die Matrosen an Bord.
    So unvermittelt, wie der Regen eingesetzt hatte, hörte er wieder auf. Die Führer packten die Zelte zusammen, und sie ritten weiter. Bergan durch den dichten, feuchtwarmen Urwald über weiche, schlammige Pfade, die das Weiterkommen erschwerten. Die Kinder schrien vor Freude auf, als sich eine Affenherde hoch oben in den Bäumen eine Verfolgungsjagd lieferte oder ein Papageienschwarm aufflog. Schwarze Vögel mit riesigen, farbenprächtigen Schnäbeln schossen zielsicher zwischen dem Geäst hindurch. Manchmal raschelte es im Dickicht, obwohl kein Tier zu sehen war. Dorothea hatte von giftigen Schlangen und Fröschen gelesen, hoffte nur, diese Bewohner des Urwaldes hätten mehr Angst vor den Menschen als die Menschen vor ihnen.
    Am dritten Tag weckte ein gellender Schrei die Gruppe. Klara Meier rannte kreischend aus dem Zelt, lief in wilder Panik davon. Dabei verfing sich ihr Fuß in einer Schlingpflanze, und sie fiel der Länge nach hin. Ihr sirenenartiges Geheul übertönte sogar die Geräusche des Urwaldes. Ihr großer Bruder Max schaute mutig nach, was seine Schwester so sehr erschreckt hatte. Dann trampelte er auf etwas Dunklem herum und hieb einige Male mit der Ferse nach. Triumphierend trat er vor das Zelt. »Pah, bloß eine Spinne! Aber sie war so groß.« Dabei spreizte er die Finger und ahmte einen Gegenstand von der Größe eines Kinderkopfes nach. Nachdem Klara sich beruhigt hatte, bestand sie darauf, mit ihrem Bruder zusammen auf einem Muli zu reiten.
    In den darauffolgenden Tagen blieb es trocken. Dorotheas Kleid, das von Schmutz und Salzwasser schon ganz steif geworden war, klebte ihr am Körper, unter den Achseln zeichneten sich dunkle Schweißflecken ab. Wäre nur dieses unbequeme, einengende Korsett nicht gewesen! Sie sehnte sich nach einer Waschschüssel und frischer, sauberer Kleidung. Die feuchtwarme Luft machte sie träge und unaufmerksam, sie vertraute nunmehr ganz ihrem Reittier.
    Einmal überquerte die

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