Das Landmädchen und der Lord
dieser Saison. Ich würde Sie gern umwerben. Aber ich besitze kein Vermögen, das mich begünstigen könnte.“
„Niemals würde ich einen Gentleman wegen seines Geldes heiraten“, erwiderte sie reserviert. „Meine Hand gewähre ich nur einem Mann, den ich liebe.“
„Sehr lobenswert … Nun, dann will ich mich verabschieden und den Damen eine Gelegenheit verschaffen, über mich zu reden …“
„Bilde dir bloß nichts ein, John“, fiel Amelia ihm trocken ins Wort. „Wir haben interessantere Gesprächsthemen als deine Eskapaden.“
Grinsend verließ er das Zimmer, und Susannah wandte sich zu ihrer Gastgeberin. „Ich merkte, dass Sie Besuch hatten. Da wollte ich nicht stören.“
„Mein Neffe bat mich um Hilfe, und ich erfüllte seine Wünsche. Im Gegensatz zu seinem Vater ist er sehr charmant. Ich werde ihm ein Offizierspatent kaufen. Sicher wird er bei der Armee seinen Weg machen.“
„Wie freundlich von dir“, meinte Margaret, die inzwischen hereingekommen war und die letzten Worte gehört hatte. „Zweifellos ist er beim Militär besser aufgehoben als in London. Diese Stadt kann einen jungen Mann ruinieren.“
„Ja, die militärische Laufbahn ist genau das Richtige für John. Ihr seid ziemlich früh von eurem Spaziergang zurückgekommen.“
„Da es zu regnen anfing, wollten wir lieber mit dir Tee trinken“, sagte Margaret.
„Das freut mich. Eure Gesellschaft wird mir guttun, denn ich fühle mich ein bisschen deprimiert. Mit dem Besuch meines Neffen hängt es nicht zusammen.“ Amelia seufzte tief auf. „Heute war ich in der Bibliothek, und da glaubte ich jemanden zu sehen, gleichsam einen Geist aus der Vergangenheit, der traurige Erinnerungen weckte. Vor mehreren Jahren wollte ich heiraten. Doch es wurde nicht gestattet. Der Mann ging ins Ausland. Und heute dachte ich, ich hätte ihn gesehen … Wahrscheinlich habe ich mich geirrt.“
„Wenn du es willst, könntest du immer noch heiraten, Amelia“, gab Margaret zu bedenken. „Immerhin wirst du von mehreren Gentlemen bewundert.“
„So wie deine Tochter werde ich nur den Antrag eines Mannes annehmen, den ich liebe und respektiere.“
In Amelias Augen erschien ein wehmütiger Glanz, und Susannah vermutete, das Herz ihrer Gönnerin würde immer noch ihrer Jugendliebe gehören – selbst wenn sie sich das nicht eingestand.
In Gedanken versunken, reiste Harry an diesem Nachmittag aus London ab. Er hatte nicht erwartet, die Klatschmäuler würden sein Interesse an Miss Hampton so schnell registrieren, und geglaubt, es wäre niemandem aufgefallen. Allerdings hatte er den letzten Abend, die musikalische Soiree, großteils in ihrer Gesellschaft verbracht. Das war natürlich nicht unbemerkt geblieben. Darüber ärgerte er sich, denn vorerst beabsichtigte er nicht, um sie zu werben – noch nicht.
In letzter Zeit hatte er Susannah Hampton mehrmals beobachtet. Ihr Temperament und ihr liebenswürdiges Wesen gefielen ihm. Und sie hatte ihn bei den bisherigen Gesprächen nie gelangweilt. Vielleicht würde sie sich zur künftigen Lady Pendleton eignen. Aber er wollte noch keinen endgültigen Entschluss fassen und Klatschgeschichten vermeiden, die dem Ruf der jungen Dame womöglich schaden würden. Deshalb war er froh, London für ein paar Tage verlassen zu können. Dadurch fand er eine Gelegenheit, in Ruhe über seine Zukunftspläne nachzudenken.
Außerdem wollte er mit General Harlow sprechen. Sein Nachbar war ein stolzer Gentleman, und Harry musste überlegen, wie er ihm helfen sollte, ohne dass der Eindruck entstand, er würde ihm eine Wohltat erweisen.
3. KAPITEL
Susannah sah sich im Foyer um. Bisher hatten die meisten Tanzabende, zu denen sie eingeladen worden war, in eher bescheidenem Rahmen stattgefunden. Dies war ihr erster ganz großer Ball, ein glanzvolles Ereignis. Von grandiosen Lüstern fiel helles Licht auf die Gästeschar herab, ließ die Juwelen der Damen und die Krawattennadeln der Gentlemen funkeln. Die vornehmsten, reichsten Mitglieder der Hautevolee hatten sich im Haus des Duke und der Duchess of Morland versammelt. Über dem lauten Stimmengewirr verstand man kaum sein eigenes Wort.
Aus einem angrenzenden Raum drang Musik, ganz schwach zu hören, und in den Empfangsräumen herrschte so dichtes Gedränge, dass Susannah, ihre Mutter und Amelia nur langsam vorankamen. Erst etwa zwanzig Minuten nach ihrer Ankunft erreichten sie den Ballsaal.
Der opulent ausgestattete Raum nahm Susannah den Atem. Der Parkettboden war
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