Das Landmädchen und der Lord
wollen mit mir sprechen.“
„Deshalb möchte Mama ein bisschen mit dir allein sein. Keine Bange, schon jetzt mag sie dich sehr gern.“ Zögernd fügte er hinzu: „Auch ich hatte gehofft, unter vier Augen mit dir zu reden. Gewiss, heute Morgen sind wir ausgefahren. Doch da musstest du dich auf die Pferde konzentrieren. Würdest du vor dem Dinner in die Bibliothek kommen?“
„Ja, natürlich.“
Er führte sie ins Haus und die Treppe hinauf. „So, da ist Mamas Salon.“ Er zog ihre Hand an seine Lippen. Zärtlich küsste er die Handfläche. „Bis heute Abend, Susannah.“
Freundlich begrüßte Lady Elizabeth ihre künftige Schwiegertochter, und sie nahmen in komfortablen, eleganten Sesseln Platz. „Tut mir leid, dass die Verwandtschaft Sie gestern so ungeniert taxiert hat, Susannah. Hoffentlich war es Ihnen nicht unangenehm?“
„Anfangs schon“, gab sie schüchtern zu. „Mit so vielen Leuten – und einem so grandiosen Gebäude hatte ich nicht gerechnet.“
„Ach ja, das Haus …“ Lady Elizabeth lachte leise. „Ziemlich Ehrfurcht gebietend, nicht wahr? Als ich zum ersten Mal hierherkam, erschrak ich. Beinahe hätte ich meine Verlobung gelöst, denn ich fürchtete, ich wäre der Aufgabe, einen solchen Haushalt zu führen, nicht gewachsen. Aber mein Mann liebte mich so sehr und versicherte, diese feudalen Mauern seien nicht wichtig. Er versprach mir, wir würden nur einen Teil unseres Lebens hier verbringen. Und er hielt sein Wort.“
„Wie gut verstehe ich, was Sie damals empfunden haben … Noch nie habe ich in einem so großen Haus gewohnt. Und die zahlreichen Kunstschätze! Ich wage kaum, irgendetwas anzufassen.“
„Im Lauf der Jahre wurden all diese Schätze gesammelt“, erklärte Lady Elizabeth, „und es ist Harrys Pflicht, das Landgut zu verwalten und die Wertsachen für seine Söhne zu bewahren. Solche Dinge nimmt er sehr ernst. Vielleicht zu ernst. Aber ich bin sicher, auch er will nicht immer hier woh nen.“ Aufmunternd nickte sie Susannah zu. „Sein Apartment liegt im Westflügel. Zweifellos wird er es Ihnen eines Tages zeigen. Morgen führe ich Sie durch das restliche Haus, wenn Sie von der Ausfahrt mit meinem Sohn zurückkehren.“
Beklommen runzelte Susannah die Stirn. „Glauben Sie, es wird mir gelingen, einem so grandiosen Haushalt vorzustehen, Ma’am?“
„Bitte, nennen Sie mich Elizabeth, wenn wir allein sind. Machen Sie meinen Sohn einfach nur glücklich – das ist alles, worum ich Sie bitte, meine Liebe. Und alles andere – wenn Sie Hilfe brauchen, wenden Sie sich an mich. Außerdem sind die Dienstboten gut ausgebildet. Also müssen Sie kaum etwas erledigen, nur die Haushaltsbücher überprüfen und die Speisepläne aufstellen.“
„Natürlich will ich mein Bestes tun. Aber zu einer Ehe gehört sicher noch mehr …“
Lady Elizabeth lächelte sanft. „Das wird Harry Ihnen beibringen, meine Liebe. Mein Sohn nimmt es in allen Belangen sehr genau.“
„Ja, da weiß ich.“ Susannah wagte der freundlichen Gastgeberin nicht zu gestehen, dass es Harrys Streben nach absoluter Perfektion war, das ihr Angst einjagte. „Ob ich seinem Beispiel folgen kann, das bezweifle ich.“
Belustigt schüttelte Lady Elizabeth den Kopf. „Bitte, stellen Sie meinen Sohn nicht auf ein Podest. Auch er hat seine Fehler, das werden Sie bald herausfinden.“
„Nun ja, manchmal geht sein Temperament mit ihm durch.“
„Und er kann ziemlich arrogant sein – oder blind für Dinge, die sich direkt vor seiner Nase befinden. Aber er bedeutet mir sehr viel, und er ist der gütigste Mann, den ich kenne.“
„Genauso schätze ich ihn auch ein“, antwortete Susannah.
Nach diesem Gespräch mit der warmherzigen Lady Elizabeth fühlte sie sich viel besser.
Zu einem schlichten weißen Abendkleid trug Susannah eine Stola, mit Strass bestickt, eine Perlenkette und mit Perlen besetzte Ohrringe, die Mama ihr geschenkt hatte. Als sie die Bibliothek betrat, sah sie Harry vor dem Kamin stehen, in einem Abendfrack aus feinem blauen Wollstoff und cremefarbenen Kniehosen. In seinem Krawattentuch, dessen Knoten die Kunst seines Kammerdieners bewies, funkelte ein Diamant. Auch am kleinen Finger seiner rechten Hand steckte ein Diamantring und spiegelte den Kerzenschein wider.
„Heute Abend siehst du wieder einmal traumhaft aus, meine Liebe“, bemerkte er lächelnd. „Danke, dass du so pünktlich zu mir kommst.“
„Du möchtest mit mir sprechen?“
„Ja.“ Er küsste ihre Hand, und sein
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