Das Landmädchen und der Lord
müssen sie geflohen sein.“
Sie stiegen auf die Karriole. „Nun fahre ich zum ersten Mal ohne den Beistand eines Lehrers“, sagte Susannah. „Das traut Harry mir offenbar zu. Sonst hätte er mich nicht beauftragt, Sie in Sicherheit zu bringen.“
Ein paar Minuten später erreichten sie den Stallhof. Während Amelia ins Haus ging, erzählte Susannah einem Reitknecht, was vorgefallen war. „Bitte, schicken Sie ein paar Leute in den Park, die Seiner Lordschaft helfen. Wenn er auch eine Pistole bei sich hat – diese Schurken sind gefährlich und vielleicht auch bewaffnet.“
„Ja, Miss Hampton, ich kümmere mich um alles Weitere. Sorgen Sie sich nicht.“
Susannah eilte in die Halle, stieg die Treppe zur Suite hinauf und fand Amelia in einem der Privatsalons, wo sie am Tisch stand. Mit bebenden Fingern schenkte sie sich ein Glas Wein ein.
„Lassen Sie mich das machen.“ Susannah nahm ihr die Karaffe aus der Hand. „Setzen Sie sich.“
Seufzend gehorchte Amelia. „Wenn ich bloß wüsste, warum ich entführt werden sollte!“
„Wieso würde jemand so etwas tun?“
„Wahrscheinlich weil die Gauner Lösegeld verlangen wollten.“
„Wie grauenhaft! Trinken Sie Ihren Wein, Amelia. Danach werden Sie sich besser fühlen. Wenn Harry die Kerle schnappt, werden sie ihm vielleicht verraten, wer sie zu dem Überfall angestiftet hat.“
„Das hoffe ich.“ Amelia nippte an ihrem Weinglas und brachte ein Lächeln zustande. „Jetzt geht es mir etwas besser. Aber ich bin wirklich furchtbar erschrocken. So weit hätte ich mich nicht vom Haus entfernen dürfen, ganz allein. In Zukunft muss ich vorsichtiger sein. Immerhin weiß jeder, dass ich eine reiche Erbin bin. Und es gibt offenbar einige Leute, die es auf mein Geld abgesehen haben.“
„Können Sie sich vorstellen, wer das sein könnte?“
„Nein, und ich hoffe, Pendleton wird es herausfinden. Nun werde ich mich umziehen und nach unten gehen. Das solltest du auch tun, Susannah. Von diesem unseligen Zwischenfall wollen wir uns nicht die Laune verderben lassen.“
Susannah stimmte ihr zu, ging in ihr Schlafzimmer und läutete nach ihrer Zofe. Wohlgefällig betrachtete sie das hübsche gelbe Seidenkleid, das Iris auf das Bett gelegt hatte. Dazu würde Lady Elizabeths Geschenk, die Perlenkette, passen. Sie öffnete die oberste Schublade der Kommode. Doch das Schmucketui war verschwunden.
„Sie haben geläutet, Miss?“
„Ja, Iris. Gerade wollte ich mich für den Lunch umziehen und meine neuen Perlen tragen. Aber ich finde sie nicht. Gestern Abend stellte ich das Etui in dieses Schubfach, ich bin mir ganz sicher.“
„Das habe ich gesehen. Nachdem Sie weggegangen waren, legte ich einen Schal in die Schublade, und die Perlen war noch da. O Miss, ich schwöre Ihnen, ich habe sie nicht genommen.“
„Keine Bange, Iris, das nehme ich auch gar nicht an. Vielleicht hat Mama die Kette in ihrer Schatulle verwahrt. Erst mal werde ich meine anderen Perlen tragen und Nachforschungen anstellen …“ Plötzlich merkte Susanna, dass noch etwas fehlte. „Haben Sie das Taschentuch in die Wäsche getan? Heute Morgen lag es auf der Kommode …“
„Nein, Miss, ich habe es nicht angerührt. Wenn ein Taschentuch verschwindet, ist es nicht so schlimm. Aber die Perlen … Sie glauben mir doch? Nie im Leben würde ich Sie bestehlen.“
„Das weiß ich, Iris. Ich habe bereits beschlossen, Sie weiterhin zu beschäftigen, wenn ich heirate. Und dieser Zwischenfall wird nichts an meiner Absicht ändern.“
„Oh, vielen Dank, Miss!“ Das Mädchen presste eine Faust auf den Mund, um ein Schluchzen zu unterdrücken. „Hoffentlich hat Ihre Mama die Perlen an sich genommen.“
„Das hoffe ich auch.“ Andernfalls würde sich ein Dieb im Haus aufhalten, ergänzte Susannah in Gedanken.
„Nein, Liebes, ich habe weder deine Perlen noch ein Spitzentaschentuch angerührt“, beteuerte Margaret Hampton. „Warum sollte ich so etwas tun?“
„Ich dachte, vielleicht wolltest du die Kette an einem sicheren Ort verwahren“, erwiderte Susannah. „Nun muss ich Lady Elizabeth informieren und mich entschuldigen, weil ich ihr Geschenk verloren habe.“
„Wie unangenehm … Dazu noch der Angriff auf Amelia … Glaubst du, die beiden Zwischenfälle hängen zusammen?“
„Möglicherweise. Warten wir ab, was Harry dazu sagt.“
Nach dem Lunch bat Susannah die Gastgeberin um ein Gespräch unter vier Augen und erzählte ihr, was geschehen war.
„Also ist jemand über die arme
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