Das Landmädchen und der Lord
Miss Royston hergefallen.“ Bestürzt schüttelte Lady Elizabeth den Kopf. „Und offensichtlich wurden Ihre Perlen gestohlen, Susannah. Für meine Dienstboten lege ich die Hand ins Feuer.“
„Und ich für meine Zofe.“ Nur kurzfristig hatte Susannah erwogen, das verschwundene Spitzentaschentuch zu erwähnen, und sich dagegen entschieden. Sonst mochte der Eindruck entstehen, sie würde die Besitzerin des Tüchleins als Diebin bezeichnen, und sie wusste nicht einmal, wem es gehörte.
„Jedenfalls werde ich Ihnen einen anderen Schmuck schenken, meine Liebe.“
„Bitte, vorerst nicht“, protestierte Susannah. „Ich würde mich unsicher fühlen, wenn ich ihn in meinem Zimmer aufbewahren müsste. Und vielleicht tauchen die Perlen noch auf.“
„Hoffentlich“, seufzte Lady Elizabeth. „Wenn mein Sohn die Schurken dingfest macht, könnte er die Kette bei ihnen finden.“
Um vier Uhr nachmittags kehrte Harry endlich zurück, und seine Miene verriet Susannah sofort, dass er die Gauner nicht aufgespürt hatte.
„Im Wald stießen wir auf eine Stelle, wo sie einen Wagen abgestellt hatten“, berichtete er. „Aber sie waren bereits geflohen. An der anderen Seite des Waldes liegt das Dorf. Also müssen sie von dort gekommen sein.“
„Hättest du sie bloß geschnappt! Nun wirst du dich erneut ärgern …“ Susannah biss sich auf die Lippe. „Während deiner Abwesenheit ist noch etwas passiert.“
„Was denn?“ Seine Augen verengten sich. „Sag es mir!“
„Die Perlen, die deine Mama mir gestern Abend geschenkt hat, wurden gestohlen. Zumindest sind sie verschwunden.“
„Großer Gott!“, rief Harry erbost. „Am besten lasse ich das ganze Haus durchsuchen, ob noch etwas fehlt. Irgendwie müssen die Schufte in der Nacht hier eingedrungen sein und deinen Schmuck entwendet haben. Weißt du, ob noch jemand etwas vermisst?“
„Bisher nicht. Aber die Perlen waren noch da, als ich mit dir ausfuhr.“
„Bist du sicher?“
„O ja, Iris hat sie gesehen. Konnte jemand am helllichten Tag unbemerkt ins Haus schleichen?“
„Das kann ich mir eigentlich nicht vorstellen. Aber vor dem heutigen Vormittag hatte ich auch nicht geglaubt, jemand würde auf meinem Grund und Boden eine Dame überfallen. Inzwischen habe ich die Patrouillen verdoppelt. Tag und Nacht werden sie die Ländereien absuchen.“
„Wie schrecklich das alles ist!“ Susannah erschauerte.
„Hier bist du in Sicherheit, Liebes“, erklärte Harry. „Die Schurken sind geflüchtet. Mittlerweile sind sie längst über alle Berge. Was heute geschehen ist, darf dich nicht zu sehr betrüben.“
„Nun, gewissermaßen war es ein Abenteuer – wenn ich es auch vorziehen würde, es wäre nicht passiert.“
Vor dem Dinner wurden die Gäste gefragt, ob sie etwas vermissten. Lady Ethel behauptete, ihre silberne Abendtasche sei verschwunden. Doch dann wurde sie von einem Dienstmädchen in einer Sofaritze aufgestöbert. Die anderen glaubten nicht, dass irgendetwas fehlte. Dass jemand in Susannahs Schlafzimmer eingedrungen war und die Perlen gestohlen hatte, erregte allgemeine Empörung. Die Quartiere der Dienstboten sollten nicht durchsucht werden. Doch sie selbst baten Lord Pendleton inständig, er möge das veranlassen, weil sie nicht in Verdacht geraten wollten. Nichts wurde gefunden. Schließlich einigte man sich auf die Vermutung, Amelias Angreifer hätten sich ins Haus geschlichen und die Perlen entwendet.
„Seltsam, dass nur deine Perlen gestohlen wurden, Susannah“, meinte Mrs. Hampton. „Aber vielleicht wurden die Diebe gestört, bevor sie sich noch etwas aneignen konnten, und ergriffen die Flucht.“
„Das erklärt nicht, warum sie Amelia zu entführen versucht haben“, entgegnete Susannah nachdenklich. Ebenso wenig das verschwundene Taschentuch …
Am späteren Abend versammelten sich einige Gäste im Salon, und Lady Elizabeth spielte Klavier. Miss Hazledeane setzte sich zu Susannah auf ein kleines Sofa. „So ein Getue um ein paar Perlen!“, bemerkte sie spöttisch. „Wenn Sie etwas sorgfältiger danach suchen, werden Sie die Kette sicher entdecken, Miss Hampton.“
„Vielleicht … Was mir eigenartig vorkommt – auch das Taschentuch, das ich in der Nähe des Bootshauses fand und auf meine Truhe legte, ist verschwunden. Bisher habe ich es nicht erwähnt, weil es mir unwichtig erschien.“
„Wahrscheinlich hat Ihre Zofe das Tuch in die Wäsche gelegt.“
„Nein, sie hat mir versichert, das hätte sie nicht
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