Das launische Eiland.
hin in sein Schicksal gefügt und sich um seine Geschäfte gekümmert, die ihm gottlob so manche Genugtuung verschafften. Seine Frau Rosina war zehn Jahre zuvor gestorben, Kinder hatten sie keine gehabt. Er war derjenige, hatte er einmal überlegt, der von jener Nacht an von Haß erfüllt war, den er nie mehr wieder hatte von sich schütteln können.
Versunken in der Erinnerung, zuckte er zusammen, denn er hatte gar nicht gemerkt, wieviel Zeit schon vergangen war, vielleicht war auch der Rauch des Dampfschiffs schon zu sehen.
»Immer noch nichts?«
»Wollen Sie mich zum Wahnsinn treiben, beim Teufel? Sie fragen mich das jede Minute!«
»Vor ungefähr fünfzehn Jahren, um 1875 herum«, erzählte gerade der Marchese Curtò, »gingen zwei Untersuchungskommissare, wohlgemerkt zwei, in Sizilien an Land und kamen auch in unsere Gegend. Sie stellten eine Unmenge von Fragen, so daß man glaubte, wieder auf der Schulbank zu sitzen.«
»Der Herr Marchese drückt das ganz richtig aus«, schaltete sich Padre Imbornone ein. »Wenn die aus dem Norden in unsere Gegend kommen, spielen sie sich immer so auf, als müßten sie uns etwas beibringen.«
»Doch«, fuhr der Marchese fort, »mir stieß die Tatsache gleich seltsam auf, daß sie, um mal im Bereich des Schwefels zu bleiben, beispielsweise Genuardi, Contarini oder Giambertoni befragten, grundehrliche Leute…«
»Grundehrlich! Grundehrlich!« proklamierte Padre Imbornone und drückte die flache Hand auf die Brust, um zu bedeuten, daß er, falls notwendig, diese Überzeugung sogar mit einem Gottesurteil zu stützen bereit wäre, und zugleich blinzelte er verschlagen in Richtung des Ingenieurs Lemonnier.
»… grundehrliche Personen«, begann der Marchese geduldig von neuem, »die sich um Minen und Lagerräume kümmerten und die nie Dreck am Stecken hatten, wohingegen unser allseits bekannter Freund Romeres taufrisch wie eine Rose zu Hause bleiben durfte.«
»Das stimmt nicht ganz«, warf Don Agostino Fiandaca ein, »eine Begegnung zwischen ihm und der ersten Kommission hat es schon gegeben: Der Senator Cusa hat bei ihm zu Hause gespeist.«
»Wie auch immer«, sagte der Marchese, »anfangs schienen diese Kommissionen etwas Seriöses zu sein, doch was war am Ende daraus geworden? Alle Herren Kommissare haben sich von dieser Geschichte mit der Mafia ins Bockshorn jagen lassen und angefangen, erfundenes Zeugs zusammenzuschreiben.«
»Also ist die Mafia etwas Erfundenes?« fragte Don Agostino Fiandaca atemlos, dem eine ähnliche Hypothese Freudenschauer bereitete, da er doch gewöhnlich nur eingeweihte Respektspersonen als Feldaufseher und Pächter anheuerte.
»Sie besitzen eine ganz eigene Gabe, nicht zu verstehen, was ich sagen will.«
»Nicht ich bin derjenige, der nicht versteht, sondern Sie haben dieses vermaledeite Laster, ein Korinthenkacker zu sein, und am Ende verliert man den Faden!«
»Also dann will ich es Ihnen anhand eines Beispiels erklären. Stellen wir uns vor, Sizilien sei ein Baum, geht das in Ordnung? Ein kranker Baum. Diese Herren haben angefangen herumzutönen: ›Dieser Baum hat in seinem Stamm solche und solche Flecken, die Aste sind halb vergammelt, die Blätter sind zur Hälfte von dieser Farbe und zur anderen gelblich‹, und haben darauf glücklich und zufrieden wieder den Heimweg angetreten.«
»Ganz so ist es auch wieder nicht«, griff der Baron Raccuglia ein. »Franchetti und Sonnino haben auch geschrieben, nur um mal ein Beispiel zu nennen, daß die Regierung nichts anderes gemacht hat, als die unfähigsten Beamten und das schlimmste Polizeipersonal zu uns nach Sizilien zu schicken.«
»Wissen Sie, wie das Sprichwort lautet? Steht einer am Abgrund, verpaß ihm um Himmels willen noch einen kräftigen Stoß!«
»Was soll das bedeuten?« fragte Lemonnier.
»Das soll bedeuten, wenn ein Baum ohnehin schon krank ist und ich jeden Tag dagegenpisse, der Baum baldigst eingeht. Aber das bedeutet nicht, daß es meine Pisse gewesen ist, die den Baum krank gemacht hat. Es mag sein, daß die Gründe hierfür viel weiter zurückliegen, vielleicht unter den Wurzeln im Erdreich, und da muß einer wirklich Lust haben und graben und graben, ohne zu wissen, auf was er stoßen wird auf ein Vipernnest, auf einen Eisenerzbrocken, der beim Aufschlag die Hacke stumpf macht. Man muß nicht nur ein guter Arzt sein, um eine solche Krankheit zu erkennen, man muß sie auch zu heilen wissen.«
»Und wie sehen
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