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Das launische Eiland.

Das launische Eiland.

Titel: Das launische Eiland. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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Ihrer Meinung nach die Heilmethoden aus?« fragte wieder der Ingenieur Lemonnier.
      »Die zu erklären würde zu lange dauern, und es ist jetzt bald Zeit, heim zum Essen zu gehen. Doch um die nächsten fünf Minuten noch zu nutzen, will ich Ihnen eine Frage stellen: Als Garibaldi in Marsala an Land ging…«
    »Mit den Dampfbooten von Rubattino«, mischte sich Padre Imbornone ein und lachte, wobei er den rechten Arm weit ausholend kreisen ließ eine Geste, die eine dunkle und unaussprechliche Doppelbedeutung hatte.
      »… als Garibaldi in Marsala anlegte, wissen Sie, wie viele Webstühle damals in Sizilien in Betrieb waren?«
    »Nein.«
      »Ich will's Ihnen verraten: ungefähr dreitausend. Und wissen Sie, wie viele nach der Einheit Italiens weiterhin arbeiteten?«
    »Weniger als zweihundert, hochverehrter Freund.«
    »Rubattino, Rubattino«, trällerte Padre Imbornone.
      »Und für den Stoff, der dann aus Biella eintraf, mußten wir das Doppelte zahlen. Und die Leute, die sich ihr Brot mit dem Webstuhl verdienten, konnten sich, mit Verlaub gesagt, verpissen.«
      »Da die Herren hier gerade Geschichtsunterricht betreiben«, fuhr Padre Imbornone dazwischen, »kennen Sie die Geschichte des ›Patrioten‹ Rubattino, ein Name, der ein ganzes Programm ist?«
    »Ich glaube, ich weiß überhaupt nichts mehr.«
      »Rubattino stand das Wasser bis zum Hals, er war dem Bankrott nahe. Und so packte er die Gelegenheit beim Schopfe. Er gab Garibaldi zwei abgewrackte Dampfboote, nur der liebe Gott weiß, wie sie sich auf der Wasseroberfläche halten konnten – es waren eher zwei dunkle Löcher als Dampfboote –, und unser Herr General steckte, kaum war er in Palermo angelangt, die Hände bis über die Ellenbogen in unsere Kassen und zahlte ihm in Gold das Dreifache des realen Werts dieser Kähne. So hatten die Sizilianer sofort einen klaren Vorgeschmack von dem, wie die Staatsgeschäfte gehandhabt werden würden.«
    »Wieso, wie war es Eurer Meinung nach unter den Bourbonen?« unterbrach der Marchese Curtò ihn in herausforderndem Ton.
      »Lassen Sie ja die Bourbonen aus dem Spiel, ich bitte darum!« fuhr Padre Imbornone auf. »In dieser Hinsicht muß man ihnen Achtung zollen! Sie mochten ja blutrünstige Reaktionäre gewesen sein, was ich persönlich gar nicht glaube, im Höchstfall verteidigten sie das, was ihnen gehörte, oder hätten sie nicht einmal das tun dürfen? Aber ehrlich waren sie, aus einem Guß, und nahmen dabei auf niemanden Rücksicht!«
      Da die Diskussion, die bei der nahenden Ankunft eines Schiffs ihren Verlauf genommen hatte, fatal die umgekehrte Route eingeschlagen hatte – das heißt während letzteres sich dem Zielhafen näherte, lief jene Gefahr, sich auf offener See zu verlieren –, versuchte Lemonnier, die Rede auf den Ausgangspunkt zurückzuführen.
      »Aber was hat dieser Barbabianca mit alldem zu tun?« fragte er.
      »Der hat zu tun! Romeres, mein Wertester, ist ein Mann, der im Dunkeln agiert, der aus jeder brenzligen Lage auch noch Gewinn zieht. Wenn – um Ihnen ein Beispiel zu geben – wir rein zufällig, statt hier im Zirkel zu sitzen, auf einem Boot auf See wären und dasselbe plötzlich unterginge, würden wir alle den Meerbarben Gesellschaft leisten, dafür können Sie die Hand ins Feuer legen, während er als einziger sich retten könnte, keiner weiß wie. Damit nicht genug: Er würde es sogar fertigbringen, mit einer stattlichen Fischbeute, die sich an seinem Allerwertesten festgebissen hat, an Land zu gehen. Das können Sie mir glauben.«
      »Aber mir scheint, daß es ihm heute nicht gerade gutgeht.«
      »Ach, das muß sich erst einmal zeigen. Natürlich wäre es zu schön, wenn er zugrunde ginge.«
    »Aber wenn er Romeres heißt, wie kann dann seine
    Firma ganz offiziell den Namen Barbabianca tragen?« bohrte Lemonnier weiter.
      »Hu, was sind Sie doch für ein kleinlicher Mensch!« fuhr Padre Imbornone auf. »Das hat er zum Hohn getan. Er wollte, daß das Schimpfwort legitimiert wurde, verstehen Sie? Habt ihr mich Barbabianca genannt, um mich zu erniedrigen? Nun gut, von jetzt an sollt ihr mich voller Respekt Barbabianca nennen. Auf der anderen Seite ist es im Hause Romeres etwas ganz Normales, den Namen zu wechseln. Sein Sohn Stefano, was glauben Sie, wie der in Wirklichkeit heißt?«
    »Stefano.«
    »Nein, der Herr, sein Taufname ist Gaetano. Und immer
    noch apropos Romeres: Meine gelehrten Freunde versuchen Sie hier seit einer Stunde davon zu

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