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Das Lavendelzimmer: Roman (German Edition)

Das Lavendelzimmer: Roman (German Edition)

Titel: Das Lavendelzimmer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina George
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    Sie mich verließ.
    Und dann noch einmal.

    All den Zimmern, in denen sie sich während der nur fünf Jahre getroffen hatten, hatte *** Namen gegeben. Sonnenzimmer, Honigzimmer, Gartenzimmer. Es waren Zimmer, die ihm – ihrem heimlichen Liebhaber, ihrem Zweitmann – alles gewesen waren. Sein Zimmer hatte sie »Lavendelzimmer« getauft, es war ihr Zuhause in der Fremde.
    Die letzte Nacht, in der sie dort geschlafen hatte, war eine heiße Augustnacht 1992 gewesen.
    Sie hatten zusammen geduscht, waren nass und nackt.
    Sie hatte Perdu liebkost mit ihrer wasserkühlen Hand, sich dann auf ihn gleiten lassen und seine Hände links und rechts neben seinem Kopf in das Laken auf dem Diwan gedrückt. Dann hatte sie ihm mit einem wilden Blick zugeflüstert: »Ich wünsche mir, dass du vor mir stirbst. Versprichst du es mir?«
    Ihr Körper hatte seinen genommen, hemmungsloser als je zuvor, während sie stöhnte: »Versprich es. Versprich es!«
    Er versprach es ihr.
    Später in der Nacht, als er das Weiß ihrer Augen nicht mehr in der Dunkelheit sehen konnte, hatte er gefragt, warum.
    »Ich will nicht, dass du den Weg vom Parkplatz zu meinem Grab allein gehen musst. Ich will nicht, dass du trauerst. Lieber will ich dich den Rest meines Lebens vermissen.«
    »Warum habe ich dir nie gesagt, dass ich dich liebe?«, flüsterte der Buchhändler. »Warum nicht, Manon? Manon!«
    Nie hatte er es ihr gestanden. Um Manon nicht in Verlegenheit zu bringen. Um ihren Finger nicht auf seinen Lippen zu spüren, während sie »schscht« flüsterte.
    Er konnte doch ein Mosaikstein in ihrem Leben sein, dachte er damals. Ein schöner, glänzender, aber eben nur ein Stein, nicht das ganze Bild. Das wollte er für sie tun.
    Manon. Die kraftvolle, niemals niedliche, niemals perfekte Provenzalin. Die in Worten sprach, die er anfassen zu können glaubte. Sie plante nie, sie war immer ganz da. Sie sprach beim Hauptgang nicht über das Dessert, beim Einschlafen nicht über den Morgen, beim Adieu nicht über ein Wiedersehen. Sie war immer ein Jetzt.
    Perdu schlief in jener Augustnacht vor 7216 Nächten das letzte Mal gut; und als er aufwachte, war Manon fort.
    Er hatte es nicht kommen gespürt. Er hatte wieder und wieder darüber nachgedacht, war tausendmal Manons Gesten und Blicke und Worte durchgegangen – aber hatte nichts gefunden, was verraten hätte: Da ging sie schon fort.
    Und kam nicht wieder.
    Dafür nach einigen Wochen ihr Brief.
    Dieser Brief.
    Er hatte das Kuvert zwei Nächte auf dem Tisch liegen lassen. Er hatte es angesehen, während er allein aß, allein trank, allein rauchte. Und während er weinte.
    Träne um Träne war über seine Wangen auf den Tisch und das Papier getropft.
    Er hatte den Brief nicht geöffnet.
    Er war damals so unendlich müde gewesen, vom Weinen und weil er nicht mehr in diesem Bett schlafen konnte, das ohne sie so groß und leer war, so kalt. Er war müde vom Vermissen.
    Er hatte den Brief zornig, verzweifelt und vor allem ungeöffnet in die Schublade des Küchentischs geworfen. Zu dem Korkenzieher, den sie sich aus einer Brasserie in Ménerbes »ausgeliehen« und nach Paris entführt hatten. Sie waren da aus der Camargue gekommen, die Augen hell, wie glasiert vom südlichen Licht, und hatten am Luberon haltgemacht, in einer Pension, die wie ein Bienennest über einem schroffen Abhang klebte, das Bad auf halber Treppe, zum Frühstück Lavendelhonig.
    Manon wollte ihm alles von sich zeigen. Wo sie herkam, welches Land in ihrem Blut war, ja, sogar ihren zukünftigen Ehemann, Luc, hatte sie Perdu vorstellen wollen, von weitem, auf seinem hochbeinigen Traktor, zwischen den Weinreben im Tal unter Bonnieux. Luc Basset, der Vigneron, der Weinmacher.
    Als ob sie sich wünschte, dass sie alle drei Freunde würden. Und jeder jedem seine Lust, seine Liebe gönnte.
    Perdu hatte sich geweigert. Sie waren im Honigzimmer geblieben.

    Es war, als blutete die Kraft aus seinen Armen, als könne er nichts anderes tun, als dastehen, im Dunkeln, hinter der Tür.
    Perdu vermisste Manons Körper. Er vermisste Manons Hand, die sich im Schlaf unter seinen Po schob. Er vermisste ihren Atem, ihr kindliches Knurren am Morgen, wenn er sie viel zu früh weckte, immer viel zu früh, gleichgültig, wie spät es war.
    Und ihre Augen, die ihn liebevoll betrachteten, ihr feines, weiches, kurzgelocktes Haar, wenn sie sich an seinem Hals rieb – all das fehlte ihm, so sehr, dass sich sein Körper in Krämpfen wand, wenn er sich in das leere Bett

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