Das Lavendelzimmer: Roman (German Edition)
deiner Mutter, Jeanno … ach. Sag ihr, dass keine so ist wie sie, keine.«
In Joaquins Gesicht blitzte das Bedauern auf, dass Liebe nicht verhindern konnte, den Ehemann an die Wand nageln zu wollen, weil er einfach entsetzlich nervte.
10
C atherine hatte seine Meerbarben, die frischen Kräuter, die Sahne von breithüftigen, normannischen Kühen begutachtet, dann ihre kleinen, neuen Kartoffeln hochgehalten, den Käse, auf die duftenden Birnen gezeigt und auf den Wein.
»Kann man daraus etwas machen?«
»Ja. Aber nacheinander, nicht miteinander«, hatte er gesagt.
»Ich habe mich den ganzen Tag sehr gefreut«, verriet sie. »Und ein bisschen gefürchtet. Und Sie?«
»Andersherum«, antwortete er. »Ich habe mich sehr gefürchtet und ein bisschen gefreut. Ich muss mich bei Ihnen entschuldigen.«
»Nein. Müssen Sie nicht. Ihnen geht zurzeit etwas Bestimmtes nahe, warum sollten Sie so tun, als sei es nicht so?«
Mit diesen Worten hatte sie ihm eines der blau-grau karierten Handtücher als Schürze zugeworfen. Sie trug ein blaues Sommerkleid und steckte ihr Schürzentuch am roten Gürtel fest. Heute konnte er erkennen, dass ihre blonden Haare an den Schläfen silbern waren und dass ihr Blick nicht mehr so voller ratlosem Entsetzen war.
Bald beschlugen die Scheiben, die Gasflammen unter den Töpfen und Pfännchen zischten, die Soße aus Weißwein, Schalotten und Sahne simmerte, und das Olivenöl bräunte die Kartoffeln mit Rosmarin und Salz in einer schweren Pfanne.
Sie redeten, als hätten sie es schon seit Jahren getan und nur einmal kurz aufgehört. Über Carla Bruni und über Seepferdchen, bei denen die männlichen Tiere die Jungen in einer Tasche im Bauch austragen. Sie redeten über die Mode, darüber, Salz mit Zusatzgeschmack zu verkaufen, und sie redeten über die Bewohner des Hauses, natürlich.
Solche Themen, schwere und leichte, fielen ihnen zu, zwischen Wein und Fisch, beim Nebeneinanderstehen. Perdu kam es vor, als ob Catherine und er Satz für Satz eine innere Verwandtschaft aufdeckten.
Er arbeitete weiter an der Sauce, Catherine pochierte darin ein Stückchen Fisch nach dem anderen. Sie aßen direkt aus den Pfannen, im Stehen, denn Catherine fehlte noch ein zweiter Stuhl.
Sie hatte den Wein eingeschenkt, einen leichten gelben Tapie aus der Gascogne. Und er hatte ihn tatsächlich getrunken, in vorsichtigen Schlucken.
Das war das Erstaunlichste an seiner ersten Verabredung seit 1992: Er hatte sich, als er Catherines Wohnung betrat, umfangen gefühlt von Sicherheit. All die sonst auf ihn einschlagenden Gedanken gelangten nicht mit in ihr Revier. Als hielte ein Türzauber sie davon ab.
»Womit verbringen Sie Ihr Leben zurzeit?«, fragte Perdu irgendwann, als sie Gott, die Welt und die Schneider der Präsidenten durchhatten.
»Ich? Mit Suchen«, sagte sie.
Sie griff nach einem Stück Baguette.
»Ich suche mich. Vor … vor dem, was passiert ist, war ich die Assistentin, Sekretärin, Pressetante und Bewunderin meines Mannes. Jetzt suche ich das, was ich konnte, bevor ich ihn traf. Um genau zu sein, versuche ich, ob ich’s noch kann. Damit bin ich beschäftigt. Mit dem Versuchen.«
Sie begann, das weiche Weiße aus der Kruste zu kratzen und zwischen ihren schlanken Fingern zu formen.
Der Buchhändler las in Catherine wie in einem Roman. Sie ließ es zu, dass er in ihr herumblätterte, ihre Geschichte betrachtete.
»Ich fühle mich heute, mit achtundvierzig, wie mit acht. Ich habe es damals gehasst, ignoriert zu werden. Und war gleichzeitig völlig verstört, wenn mich mal jemand ein bisschen interessant fand. Es sollten außerdem die ›richtigen‹ Leute sein, die mich beachteten. Das reiche, glatthaarige Mädchen, das mich zu seiner Freundin machen soll, der gütige Lehrer, dem auffällt, wie bescheiden ich mein großes Wissen hüte. Und meine Mutter. Oh, meine Mutter.« Catherine hielt inne. Nebenbei kneteten ihre Hände etwas aus dem Baguette.
»Ich wollte immer von den größten Egoisten beachtet werden. Die anderen waren mir gleichgültig, mein lieber Vater, die dicke, schwitzende Olga aus dem Parterre. Obwohl die viel netter waren. Aber wenn ich netten Menschen gefiel, war es mir peinlich. Dumm, oder? Dieses dumme Mädchen war ich auch in meiner Ehe. Ich wollte, dass mein Mann, der Idiot, mich beachtet, und habe alle anderen ausgeblendet. Aber ich bin bereit, das zu ändern. Geben Sie mir den Pfeffer?«
Sie hatte aus dem Brotteig etwas geformt, mit ihren kleinen, schlanken Fingern:
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