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Das Lavendelzimmer: Roman (German Edition)

Das Lavendelzimmer: Roman (German Edition)

Titel: Das Lavendelzimmer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina George
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legte Catherine auf dem schlichten Lager ab, dem glatten, weißen Laken. Sie lag da, die Beine geschlossen, die Arme gerade. Er streckte sich neben ihr auf der Seite liegend aus, betrachtete sie, wie sie atmete, wie ihr Körper an manchen Stellen bebte, als ob unter der Haut kleine Erbeben nachvibrierten.
    Dort etwa, an ihrem Halsgrübchen. Zwischen Brust und Kinn, unterhalb der Kehle.
    Er beugte sich vor und legte seine Lippen auf das Beben.
    Wieder der Vogellaut.
    »Jean …«
    Ihr Pulsieren. Ihr Herzschlag. Ihre Wärme.
    Er spürte Catherine über seine Lippen in sich hineinströmen. Ihr Geruch, und wie er sich verdichtete.
    Die Hitze, die von ihrem Körper ausging, übertrug sich auf ihn.
    Und dann – Oh! Ich sterbe – berührte sie ihn.
    Finger auf Stoff. Hände auf Haut.
    Sie war der Krawatte unter sein Hemd gefolgt.
    Als ihre Hand ihn berührte, war es, als erhebe ein sehr altes Gefühl sein Haupt. Es streckte sich aus, verlieh Monsieur Perdu von innen Kontur und stieg hoch und höher, in jede Faser und Zelle hinein, bis es ihm an die Kehle reichte und ihm die Luft nahm.
    Unbeweglich, um dieses herrliche, furchtbare, absolut vereinnahmende Gefühlswesen nicht zu stören, hielt er den Atem an.
    Verlangen. Solche Lust. Und noch mehr …
    Aber um nicht zu verraten, wie gelähmt vor Entzücken er war, und auch, um Catherine nicht womöglich durch sein überwältigtes Stillhalten zu verunsichern, zwang er sich, langsam, so langsam wie möglich auszuatmen.
    Liebe.
    Das Wort stieg in ihm auf und auch eine Erinnerung an dieses Gefühl; er spürte Nässe in seine Augen drängen.
    Sie fehlt mir so.
    Auch aus Catherines Augenwinkel rollte eine Träne – weinte sie sie für sich? Oder für ihn?
    Sie zog ihre Hand aus seinem Hemd, knöpfte es nach oben hin auf, zog die Krawatte ab. Er erhob sich, um es ihr leichter zu machen, halb über sie.
    Dann fasste sie in seinen Nacken. Drückte nicht. Zog nicht.
    Ihre Lippen öffneten sich für den kleinen Spalt, der sagte: »Küss mich.«
    Er zeichnete Catherines Mund mit den Fingern nach, glitt immer wieder über die unterschiedliche Beschaffenheit von Weichheit.
    Es wäre einfach gewesen, weiterzumachen.
    Die letzte Distanz mit einer Bewegung nach unten zu überbrücken. Catherine zu küssen. Das Spiel der Zungen, aus Neuheit Vertrautheit werden lassen, aus Neugier Gier, aus Glück …
    Scham? Unglück? Erregung?
    Unter ihr Kleid fassen, sie nach und nach auszuziehen, erst die Unterwäsche, dann das Kleid, ja, so würde er es tun. Er wollte sie nackt unter ihrem Kleid wissen.
    Doch er tat es nicht.
    Catherine hatte zum ersten Mal, seit sie sich berührt hatten, die Augen geschlossen. In dem Moment, da sich ihre Lippen öffneten, verschlossen sich ihre Augen.
    Sie hatte Perdu ausgesperrt. Er konnte nicht mehr sehen, was sie wirklich wollte.
    Er spürte, dass in Catherine etwas passiert war. Es lauerte darauf, ihr weh zu tun.
    Die Erinnerung daran, wie es war, von ihrem Mann geküsst zu werden? (Und war es nicht entsetzlich lange her? Und hatte er da nicht schon seine Freundin? Und hatte er da nicht schon Dinge gesagt, hässliche Dinge, wie: »Mich ekelt es an, wenn du krank bist« oder auch »Wenn ein Mann eine Frau nicht mehr in seinem Schlafzimmer haben will, dann hat die Frau ihren Teil dazu getan«?) Erinnerte sich ihr Körper daran, wie sehr er ignoriert worden war, keine Zärtlichkeit, keine Massage, kein Erkunden mehr. Die Erinnerung daran, von ihrem Mann genommen zu werden (nie so, dass es ihr genug war; sie solle nicht verwöhnt werden, hatte er gesagt, verwöhnte Frauen liebten nicht mehr, und außerdem, was wollte sie denn noch, er war doch schon so weit). Die Erinnerung an die Nächte, in denen sie gezweifelt hatte, je wieder Frau zu sein, je wieder berührt, je schön gefunden werden und mit einem Mann allein hinter einer geschlossenen Tür sein?
    Catherines Geister waren da, und sie hatten seine auch zu der Party mitgebracht.
    »Wir sind nicht mehr allein, Catherine.«
    Catherine schlug die Augen auf. Der Sturm in ihnen hatte sich vom silbrigen Leuchten zu einem verblassenden Bild der Hingabe gewandelt.
    Sie nickte. Tränen füllten ihre Augen.
    »Ja. Ach, Jean. Der Idiot ist gekommen, gerade in dem Moment, als ich dachte: Endlich. Endlich berührt mich ein Mann einmal so, wie ich es mir schon immer gewünscht habe. Nicht so wie … na, eben der Idiot.«
    Sie drehte sich auf die Seite, fort von Jean.
    »Sogar mein altes Ich. Die dumme, kleine, demütige Cati. Die

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