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Das Lavendelzimmer: Roman (German Edition)

Das Lavendelzimmer: Roman (German Edition)

Titel: Das Lavendelzimmer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina George
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Las sie angestrengt mit manischer Konzentration, willens, sich nicht ein Wort, eine Meinung, eine Information entgehen zu lassen. Er unterstrich, schrieb Kommentare und vergaß, was er las.
    Er las erneut …
    Er schaute nicht einmal auf, als Thierry sagte: »Dieses Auto da. Das stand die halbe Nacht dort. Schlafen da Leute drin? Sind das schon wieder welche, die wegen diesem Schriftsteller gekommen sind?«
    »Wegen Max Jordan?«, fragte Perdu.
    Möge dieser Junge nicht solche Dummheiten begehen.
    Als sich Thierry dem Wagen näherte, fuhr der hastig fort.
    Als sie den Tod hörte, hatte sie Angst. Und hat sich gewünscht, dass ich sie beschütze. Aber ich war nicht da. Ich tat mir nur selbst leid.
    Perdu spürte Übelkeit.
    Manon. Ihre Hände.
    Ihr Brief, ihr Geruch, ihre Schrift hatten immer so etwas Lebendiges. Sie fehlt mir so.
    Ich hasse mich. Ich hasse sie!
    Warum hat sie zugelassen zu sterben? Es muss ein Missverständnis sein. Sie muss noch leben, irgendwo.
    Er floh auf die Toilette und übergab sich.

    Es war kein stiller Sonntag.
    Er fegte die Planke, trug die Bücher, die er sich in den vergangenen Tagen geweigert hatte zu verkaufen, zurück an ihre Plätze. Passte sie auf den Millimeter ein. Er legte eine neue Rolle Papier in die Kasse ein, wusste nicht, wohin mit seinen Händen.
    Wenn ich nur diesen Tag überlebe, überlebe ich auch den Rest meiner Tage.
    Er bediente einen Italiener – »Ich habe neulich ein Buch mit einem Raben mit Brille auf dem Umschlag gesehen. Ist das schon übersetzt?«
    Er ließ sich mit einem Touristenpaar fotografieren, nahm Bestellungen von islamkritischen Werken aus Syrien entgegen, verkaufte einer Spanierin Thrombosestrümpfe, füllte Kafkas und Lindgrens Tellerchen auf.
    Während die Katzen durch das Schiff streunten, blätterte Perdu im Büromittelkatalog, der nicht nur die berühmtesten Sechs-Wörter-Geschichten von Hemingway bis Murakami als Tischset anpries, sondern auch Salz-, Pfeffer- und Gewürzstreuer. In Form von Köpfen. Schiller, Goethe, Colette, Balzac und Virginia Woolf, aus deren Scheitel Salz, Pfeffer oder Zucker rieselten.
    Was soll das?
    »Ein absoluter Bestseller im Non-book -Bereich: die neuen Lesezeichen in jeder Buchhandlung. Exklusiv dazu: Hesses Stufen – die Kult-Buchstütze für die Gedichtabteilung!«
    Perdu starrte auf die Seite.
    Wisst ihr was? Es reicht. Ihr könnt mich mal mit euren Goethe-Streuern. Ihr könnt mich mal mit euren Toilettenpapier-Krimis. Und Hesses Stufen – »jedem Anfang wohnt ein Zauber inne« – als Regaldeko, bitte! Es reicht!
    Der Buchhändler starrte aus dem Fenster auf die Seine.
    Wie das Wasser glitzerte, wie sich der Himmel krümmte.
    Wie hübsch, eigentlich.
    Ob Manon mir böse war, dass sie mich auf diese Weise verlassen musste? Weil ich so bin, wie ich bin, und es deshalb keine andere Möglichkeit gab? Mit mir zu sprechen, zum Beispiel. Einfach zu sagen, wie es um sie steht. Mich um Hilfe zu bitten. Mir die Wahrheit zu sagen.
    »Bin ich kein Mann dafür? Was bin ich überhaupt für einer?«, sagte er laut.
    Jean Perdu klappte den Katalog zu, rollte ihn zusammen und steckte ihn in die hintere Hosentasche seiner grauen Hose.
    Es war, als ob er die letzten einundzwanzig Jahre exakt darauf hingelebt hatte. Bis zu dieser einen Minute, in der ihm klarwurde, was er tun musste. Was er die ganze Zeit hätte tun sollen, auch ohne Manons Brief.
    Monsieur Perdu öffnete seinen penibel aufgeräumten Werkzeugkasten im Maschinenraum, holte den Akku-Schraubendreher heraus, steckte den Aufsatz in die Hemdtasche und ging zur Planke. Dort legte er den Katalog auf das Metallbrett, kniete sich auf das farbig bedruckte Lackpapier, schraubte den Aufsatz auf das Werkzeug und begann, die großen Schrauben, die die Gangway am Untergrund des Quai hielten, zu lösen. Eine nach der anderen.
    Zum Schluss löste er auch den Schlauch zum Frischwassertank des Hafens, zog die Stecker aus dem Verteiler des Anleger-Stromkastens und löste die Taue, die die Literarische Apotheke seit zwei Jahrzehnten mit dem Ufer verbanden.
    Perdu trat ein paarmal kräftig gegen die Gangway, damit sie sich endgültig vom Untergrund löste. Er hob die Planke hoch, schob sie in den Zugang zum Bücherschiff, sprang hinterher und schloss die Türluke.
    Perdu ging zum Heck in den Steuerstand, schickte einen Gedanken in die Rue Montagnard – »Catherine, verzeih mir« – und drehte den Zündschlüssel in den Vorglühmodus.
    Dann, nach zehn Sekunden, die Perdu mit einem

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