Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Lavendelzimmer: Roman (German Edition)

Das Lavendelzimmer: Roman (German Edition)

Titel: Das Lavendelzimmer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina George
Vom Netzwerk:
Schlafzimmer in Bonnieux. Traubenrot der Mund, Haare so dicht und stark wie Rosmarinzweige.
Er heißt Jean. Er baut gerade einen flämischen Lastkahn um; er will darauf Bücher pflanzen, sagt er. »Papierboote für die Seele«, es soll eine Apotheke werden, erklärte er, eine pharmacie littéraire, für all die Gefühle, für die es sonst keine Arzneien gibt. Heimweh, zum Beispiel. Er meint, es gäbe da unterschiedliche Arten. Geborgenheitsverlangen, Familiennostalgie, Abschiedsangst oder Liebessehnsucht.
»Die Sehnsucht danach, bald etwas zu lieben, was gut ist: einen Ort, einen Menschen, ein bestimmtes Bett.«
Er sagt es so, dass es nicht albern klingt, sondern logisch.
Jean versprach mir, mir Bücher zu geben, die mein Heimweh lindern sollten. Er sagte das, als ob er von einer halbmagischen, aber dennoch offiziellen Medizin sprach.
Er kommt mir vor wie ein weißer Rabe, klug und stark und über den Dingen schwebend. Er ist wie ein stolzer großer Vogel, der über den Himmel wacht.
Und, nein, ich war ungenau: Er versprach es nicht, mir Bücher zu geben – er kann Versprechen nicht leiden, sagt er. Er schlug es vor. »Ich kann Ihnen helfen. Wenn Sie mehr weinen oder aufhören wollen. Oder lachen, um weniger zu weinen: Ich helfe Ihnen.«
Ich habe Lust, ihn zu küssen, um zu sehen, ob er nicht nur reden und wissen, sondern auch fühlen und glauben kann.
Und wie hoch er fliegen kann, der weiße Rabe, der alles sieht, was in mir ist.

15
    I ch hab Hunger«, sagte Max.
    »Haben wir genug Frischwasser?«, fragte Max.
    »Ich will auch mal lenken!«, verlangte Max.
    »Haben wir denn keine Angel an Bord?«, quengelte Max.
    »Irgendwie fühle ich mich kastriert ohne Telefon und Kreditkarten. Sie nicht?«, seufzte Max.
    »Nein. Sie können das Boot putzen«, erwiderte Perdu. »Das ist Bewegungsmeditation.«
    »Putzen? Echt? Schauen Sie mal, da kommen schon wieder ein paar Schwedensegler«, sagte der Schriftsteller, »die fahren immer in der Mitte vom Fluss, als ob sie ihn erfunden hätten. Die Engländer sind anders, die erwecken den Eindruck, als ob nur sie da hingehören und alle anderen am besten vom Land aus applaudieren und mit kleinen Fähnchen winken sollten. Na ja, Trafalgar. Das wurmt die wohl noch.«
    Er ließ das Fernglas sinken. »Haben wir eigentlich eine Nationale am Hintern hängen?«
    »Heck, Max. Das Schiffsgesäß nennt sich Heck.«
    Je länger sie die gewundene Seine aufwärtsgepflügt waren, desto aufgeregter war Max geworden – und Jean Perdu ruhiger.
    Der Fluss wand sich in großen Schleifen sanft und gelassen durch Wälder und Parks. An Land reihten sich weitläufige, herrschaftliche Grundstücke aneinander, mit Häusern, die nach altem Geld und Familiengeheimnissen aussahen.
    »Schauen Sie mal in der Schiffskiste bei den Werkzeugen nach einer Flagge und einem Trikolore-Wimpel«, trug Perdu Jordan auf. »Und suchen Sie die Erdnägel und den Gummihammer raus, die werden Sie zum Festmachen benötigen, wenn wir keinen Hafen finden.«
    »Aha. Und woher weiß ich, wie man festmacht?«
    »Eh … das steht in einem Buch über Hausbootferien.«
    »Und wie man angelt?«
    »In der Abteilung ›Als Städter überleben in der Provinz‹.«
    »Und wo steht der Putzeimer? Auch in einem Buch?« Max lachte mit einem kleinen Grunzen und rückte sich den Ohrenschützer wieder über die Ohren.
    Perdu sah eine Gruppe Kanuten vor sich und zog einmal kräftig an der Schiffshupe, um sie zu warnen. Der Ton war tief, laut und fuhr ihm durch Brust und Magen – direkt unter den Nabel und von dort noch einmal tiefer.
    »Oh«, flüsterte Monsieur Perdu.
    Er zog erneut an dem Zughebel des Horns.
    Das konnten wirklich nur Männer erfinden.
    Mit dem Laut und seinem Echo in sich spürte er wieder Catherines Haut unter seinen Fingern. Wie diese Haut den Deltamuskel, oben an der Schulter, umspannt hatte. Weich, warm, glatt. Und rund. Die Erinnerung, Catherine berührt zu haben, machte Jean für einen Moment ganz benommen.
    Frauen berühren, Schiffe fahren, einfach abhauen.
    Milliarden von Zellen schienen in ihm erwacht, blinzelten verschlafen, streckten sich, sagten: Hey! Das vermissen wir. Mehr, bitte. Drück aufs Gas!
    Steuerbord rechts, Backbord links, die Fahrrinne wurde von farbigen Tonnen begrenzt, das wussten die Hände noch und lenkten zwischen ihnen hindurch. Und Frauen sind die Schlauen, die, die Fühlen und Denken nicht in Widerspruch setzten und liebten ohne Grenzen, ja, das kannte der Bauch.
    Und Vorsicht vor den Wirbeln

Weitere Kostenlose Bücher