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Das Lavendelzimmer: Roman (German Edition)

Das Lavendelzimmer: Roman (German Edition)

Titel: Das Lavendelzimmer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina George
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Buchregalbretter einen Küchengarten an, sehr zur Freude von Kafka und Lindgren, die sich mit Begeisterung auf die Minze stürzten. Wenig später jagten sie sich hin und her durchs Schiff, mit Katzenschweifen, aufgeplustert wie Spülbürsten.
    Am Abend trug Cuneo, angetan mit Blümchenschürze und ebenso geblümten Topfhandschuhen, das Essen herein.
    »Meine Herren: eine Variante des touristisch begradigten Ratatouille. Bohémienne de Légumes «, erklärte Salvatore, während er das Essen auf ihren improvisierten Tisch auf dem Deck stellte.
    Es entpuppte sich als in winzige Würfel geschnittenes rotes Gemüse, gebraten, mit reichlich Thymian gewürzt, in eine Form gepresst, dann kunstvoll auf die Teller gestürzt und mit kostbarstem Olivenöl beträufelt. Dazu gab es Lammkotelettes, die Cuneo dreimal durchs offene Feuer zog, und schneeweißen, auf der Zunge zart schmelzenden Knoblauchflan.
    Als Perdu den ersten Bissen nahm, passierte etwas Merkwürdiges.
    In seinem Kopf schienen Bilder zu explodieren.
    »Das ist unglaublich, Salvatore. Du kochst, wie Marcel Pagnol schreibt.«
    »Ah, Pagnol. Guter Mann. Der wusste auch: Man sieht nur mit der Zunge gut. Und mit der Nase und dem Magen«, seufzte Cuneo genüsslich. Dann sagte er zwischen zwei Bissen: »Capitano Perdito, ich glaube fest daran, dass man die Seele eines Landes essen muss, um es zu verstehen. Um die Menschen zu fühlen. Und die Seele ist, was dort wächst. Was die Menschen jeden Tag sehen und riechen und anfassen. Was einmal durch sie hindurchwandert und von innen ausformt.«
    »So wie Nudeln die Italiener formen?«, fragte Max kauend.
    »Pass bloß auf, Massimo, was du sagst. Pasta formt die Frauen bellissima! « Cuneo zeichnete mit Begeisterung einen ausladenden weiblichen Körper nach.
    Sie aßen, sie lachten. Rechts ging die Sonne unter, links der Vollmond auf, sie waren umfangen vom üppigen Blumenduft des Hafens. Die Katzen erkundeten sorgsam die Umgebung und leisteten den Männern später Gesellschaft, huldvoll thronend auf einer umgedrehten Bücherwanne.
    Ein ungekannter Frieden kehrte in Jean Perdu ein.
    Kann Essen heilen?
    Mit jedem Bissen, den er zu sich nahm, getränkt mit den Kräutern und Ölen der Provence, schien er das Land, das ihn erwartete, mehr in sich aufzunehmen. Er aß gleichsam das Land, das um sie herum war. Schon konnte er die wilde Gegend um die Loire herausschmecken, Wald und Wein.
    In dieser Nacht schlief er ruhig. Kafka und Lindgren bewachten seinen Schlaf. Der Kater lag an der Tür, Lindgren an seiner Schulter. Manchmal spürte Jean Pfoten, die seine Wange betasteten, wie um zu sehen, ob er noch da war.

    Am nächsten Morgen beschlossen sie, zunächst im Hafen von Briare zu bleiben. Es war ein beliebter Treff- und Stützpunkt, und die Hausbootsaison hatte begonnen. Nahezu jede Stunde trafen neue Pénichettes ein, und mit ihnen potenzielle Bücherkäufer.
    Max bot an, den spärlichen Rest seiner Kleidung mit Jean zu teilen, der ja nur in Hemd, grauer Hose, Jackett und Pullover losgefahren war. Und Kleidung stand zurzeit nicht weit genug oben auf ihrer Liste der einzukaufenden Notwendigkeiten.
    Perdu trug erstmals seit gefühlten Jahrhunderten Jeans und ein verwaschenes Shirt. Als er sich im Spiegel erblickte, war er sich fremd. Der Dreitagebart, die leichte Bräune, die er sich im Steuerstand zugelegt hatte, die legere Kleidung … er sah zwar nicht mehr älter aus, als er war. Auch nicht mehr so bieder. Aber auch nicht unbedingt sehr viel jünger.
    Max ließ sich einen spöttischen waagerechten Strich als Bärtchen auf der Oberlippe stehen und kämmte sich das Haar nach hinten, um es zu einem glänzenden, schwarzen Piratenzopf zu züchten. Jeden Morgen trainierte er barfuß und nur mit einer leichten Hose bekleidet Kung-Fu und Tai-Chi auf dem Achterdeck. Mittags und abends las er Cuneo etwas vor, während der das Essen vorbereitete. Cuneo wünschte sich häufig Geschichten von Schriftstellerinnen.
    »Frauen erzählen mehr von der Welt. Männer erzählen immer nur von sich.«
    Inzwischen öffneten sie die Literarische Apotheke bis spät in die Nacht. Die Tage wurden wärmer.
    Die Kinder aus den Dörfern und von den anderen Bootsleuten hockten stundenlang in Lulus Bauch, um die Abenteuer von Harry Potter, Kalle Blomquist, den Fünf Freunden, den Warrior Cats oder Gregs Tagebuch zu lesen. Vielmehr, um sie sich vorlesen zu lassen. Oft musste sich Perdu ein stolzes Grinsen verkneifen, wenn er Max in einem Rund von Kindern auf dem

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