Das Lavendelzimmer: Roman (German Edition)
Sonnenstrahl auf dem Wasser. Ich träume von ihr, aber jede Nacht werden die Tage weniger, die wir noch zusammen verbringen könnten.«
»Irgendwie fühle ich mich gerade furchtbar alt und vertrocknet«, ließ sich Max vernehmen. »All diese Leidenschaften, die ihr empfindet! Der eine sucht seit zwanzig Jahren seinen One-Night-Stand, und der andere fährt von jetzt auf gleich los, um …« Max brach ab.
In der Stille nach dem Satz blinkte etwas auf, was Jean nur am Rande seiner grasumwölkten Aufmerksamkeit mitbekam. Was hatte Max da gerade nicht sagen wollen? Doch der sprach weiter, und Jean vergaß es wieder.
»Ich weiß gar nicht, was ich wollen soll. Ich war noch nie so verliebt in eine Frau. Ich habe immer vor allem gesehen, was … was sie nicht ist. Die eine war hübsch, aber arrogant zu Leuten, die weniger verdienten als ihr Vater. Die andere war nett, aber brauchte immer so lange, um einen Witz zu verstehen. Und wieder eine war unglaublich schön, aber sie weinte, wenn sie sich auszog, ich weiß nicht, warum, und dann habe ich lieber nicht mit ihr geschlafen, sondern sie in meinen größten Pullover gepackt und die ganze Nacht festgehalten. Ich sag euch, Frauen lieben kuscheln im Löffelchen, aber es bedeutet einen eingeschlafenen Arm und eine platzende Blase für den Mann.«
Perdu nahm noch einen Zug.
»Auch deine Prinzessin ist schon geboren, Massimo«, sagte Cuneo voller Überzeugung.
»Aber wo ist sie denn bloß?«, fragte Max.
»Vielleicht suchst du sie gerade schon und weißt nur nicht, dass du auf dem Weg zu ihr bist«, flüsterte Jean.
So war es bei ihm und Manon gewesen. Er war von Marseille gekommen und an jenem Morgen in den Zug gestiegen, ohne zu ahnen, dass er eine halbe Stunde später die Frau finden würde, die sein Leben veränderte und auch alle Pfeiler, auf denen es stand. Er war vierundzwanzig gewesen, kaum älter als Max jetzt. Er hatte nur fünf Jahre voller heimlicher Stunden mit Manon gehabt. Er bezahlte für diese Handvoll Tage mit zwei Jahrzehnten Schmerz, Sehnsucht und Einsamkeit.
»Aber, ich will verdammt sein, wenn diese paar Stunden es nicht wert gewesen wären.«
»Capitano? Hast du was gesagt?«
»Nein. Ich habe was gedacht. Könnt ihr jetzt schon meine Gedanken hören? Ich werde euch über die Planke jagen.«
Seine Mitfahrer glucksten.
Die Stille der ländlichen Nacht schien immer unwirklicher zu werden und die Männer von der Gegenwart fortzutreiben.
»Und deine Liebe, Capitano?«, fragte Cuneo. »Wie ist ihr Name?«
Jean zögerte lange.
» Scusami, ich wollte nicht …«
»Manon. Sie heißt Manon.«
»Und sie ist sicher schön.«
»Schön wie ein Kirschbaum im Frühling.«
Es war so leicht, die Augen zu schließen und auf Cuneos harte Fragen, gestellt mit sanfter Stimme und voller Freundschaftlichkeit, zu antworten.
»Und klug, sì? «
»Sie kennt mich besser als ich mich. Sie … hat mir das Fühlen beigebracht. Und das Tanzen. Und es war leicht, sie zu lieben.«
»War?«, fragte jemand, aber so leise, dass sich Perdu nicht sicher war, ob es Max, Salvatore oder doch nur sein innerer Lektor gewesen war.
»Sie ist mein Ort. Und sie ist mein Lachen. Sie ist …«
Er schwieg. Tot. Das konnte er nicht aussprechen. Er hatte solche Angst vor der Trauer, die gleich dahinter wartete.
»Und was wirst du ihr sagen, wenn du kommst?«
Jean rang mit sich. Dann entschied er sich für die einzige Wahrheit, die in dem Verschweigen über Manons Tod stimmte.
»Verzeih mir.«
Cuneos Fragen hörten auf.
»Ich beneide euch wirklich«, murmelte Max. »Ihr lebt eure Liebe. Eure Sehnsucht. Egal, wie verrückt sie sind. Ich fühle mich einfach nur verschwendet. Ich atme, das Herz schlägt, das Blut pumpt. Aber ich kriege es nicht auf die Reihe, das Schreiben. Die Welt geht überall kaputt, und ich jammere wie ein verzogenes Balg. Das Leben ist ungerecht.«
»Nur der Tod ist für alle da«, sagte Perdu trocken.
»Das ist wirklich Demokratie«, merkte Cuneo an.
»Also, ich halte den Tod für politisch überbewertet«, fand Max. Er gab den letzten Stummel des Joints an Jean.
»Ist es eigentlich wahr, dass sich Männer ihre große Liebe danach aussuchen, ob sie der Mutter ähnelt?«
»Hmm«, brummte Perdu und dachte an Lirabelle Bernier.
» Sì, certo! Dann müsste ich mir eine aussuchen, die mich ständig ›Zumutung‹ nennt und mir Ohrfeigen verpasst, wenn ich lese oder Wörter benutze, die sie nicht versteht«, antwortete Cuneo mit bittersüßem Lachen.
»Und ich
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