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Das Lavendelzimmer: Roman (German Edition)

Das Lavendelzimmer: Roman (German Edition)

Titel: Das Lavendelzimmer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina George
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einer Bergspitze entlang. Er spürte, wie der Wind durch seine Federn am Bauch drang – er flog! Er tauchte durch das Meer, kraftvoll, er konnte unter Wasser atmen.
    Eine nie gekannte, pralle, satte Kraft pulsierte durch ihn. Er verstand endlich, was mit ihm passierte …
    Als er erwachte, hatten ihn die Wellen fast schon zurück an Land getragen.
    Aus einem unerfindlichen Grund war er an diesem Morgen nach dem Schwimmen, nach dem Tagtraum, jedoch nicht traurig.
    Sondern wütend.
    Zornig!
    Ja, er hatte sie gesehen, ja, sie hatte ihm vorgeführt, was für ein übles Leben er sich ausgesucht hatte. Wie peinlich sie war, diese Einsamkeit, in der er verharrt hatte, weil er nicht mutig genug gewesen war, ein zweites Mal zu vertrauen. Völlig zu vertrauen, weil in der Liebe nichts anderes möglich ist.
    Er war zorniger als in Bonnieux, als ihn Manons Gesicht von der Flasche aus angestarrt hatte. Wütender als je zuvor.
    »Ach, merde! «, rief er der Brandung zu. »Du blöde, blöde, blöde Kuh, was stirbst du denn auch auf einmal mitten im Leben!«
    Hinten, am asphaltierten Strandweg, sahen zwei Joggerinnen erstaunt zu ihm herüber. Er schämte sich, aber nur sehr kurz.
    »Was ist?«, blaffte er sie an.
    Er war so randvoll mit gleißender, brüllender Wut.
    »Warum hast du nicht einfach angerufen wie normale Leute? Was sollte das, mir nicht zu sagen, dass du krank bist? Wie konntest du nur, Manon, wie konntest du einfach so all die Nächte neben mir schlafen und nichts sagen! Scheiße, du blöde … du … oh, Gott!«
    Er wusste nicht, wohin mit seinem Zorn. Er wollte auf etwas einschlagen. Er kniete sich hin und schlug in den Sand, schaufelte ihn mit beiden Händen hinter sich. Er schaufelte. Und wütete. Und schaufelte weiter. Aber es reichte nicht. Er stand auf und lief ins Wasser, er drosch auf die Wellen ein, mit den Fäusten, den Händen, nacheinander, gleichzeitig. Das Salzwasser spritzte ihm in die Augen. Es brannte. Er boxte weiter.
    »Warum hast du das gemacht? Warum?« Wen er das fragte, war gleichgültig, sich, Manon, den Tod, es war egal, er wütete. »Ich dachte, wir kennen uns, ich dachte, du bist auf meiner Seite, ich dachte …«
    Seine Wut gerann. Zwischen zwei Wellen versank sie im Meer, wurde zum Treibgut, würde irgendwoanders wieder angeschwemmt werden und jemand anderen wütend machen, über den Tod, der einem das Leben versaute, unvermittelt.
    Jean spürte die Steine unter seinen nackten Füßen, und dass er fror.
    »Ich wünschte, du hättest es mir gesagt, Manon«, sagte er nun ruhiger, außer Atem, ernüchtert. Enttäuscht.
    Das Meer rollte gleichmütig weiter.

    Das Weinen hörte auf. Immer noch dachte er an Momente mit Manon, führte seine Wassergebete weiter aus. Aber danach saß er da, ließ sich von der Morgensonne trocknen und genoss das Frösteln. Ja, er genoss es, mit nackten Füßen am Wassersaum entlang zurückzugehen, genoss es, sich den ersten Espresso des Tages zu kaufen und ihn, noch mit nassen Haaren, mit Blick auf das Meer und seine Farben zu trinken.
    Perdu kochte, schwamm, trank wenig, schlief regelmäßig und traf sich täglich mit den Boule -Spielern. Perdu schrieb weiter Briefe. Er arbeitete an der Großen Enzyklopädie der Kleinen Gefühle, und am Abend verkaufte er in der Buchhandlung Bücher an Menschen in kurzen Hosen.
    Er hatte hier seine Art, wie er Bücher und Leser verkuppelte, geändert. Er fragte oft: »Wie möchten Sie sich beim Einschlafen fühlen?« Die meisten seiner Kunden wollten sich beim Einschlafen leicht fühlen und beschützt.
    Andere fragte er nach den Dingen, die sie am liebsten mochten. Die Köche liebten ihre Messer. Die Immobilienmakler liebten das Geräusch, das Schlüsselbunde machten. Die Zahnärzte liebten das Angstflackern in den Augen der Patienten – das hatte Perdu geahnt.
    Und häufigsten fragte er: »Wie sollte das Buch schmecken – nach Eis? Scharf, fleischig? Oder wie ein kühler Rosé?«
    Essen und Bücher besaßen eine enge Verwandtschaft, das entdeckte er erst in Sanary. Und das trug ihm den Spitznamen »Bücheresser« ein.
    Das kleine Haus war in der zweiten Hälfte des Augusts fertig renoviert. Er bewohnte es mit einem zugelaufenen, missmutigen, getigerten Kater, der niemals miaute, nie schnurrte und nur abends vorbeischaute. Sich aber zuverlässig neben seinem Bett niederlegte und böse die Tür anstarrte. So bewachte der Kater Perdus Schlaf.
    Er nannte ihn erst Olson, aber als das Tier ihn daraufhin tonlos anfauchte, entschied

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